Kongos Präsident sagt Kirche den Kampf an

Laute Kritik der Bischöfe im Wahljahr

Angesichts chaotischer Verhältnisse im Kongo melden sich die Bischöfe deutlich zu Wort. Dennoch seien sie weder Verbündete der Opposition noch Regierungsgegner. Der Präsident sieht das anders. Die Lage scheint verworren.

Autor/in:
Markus Schönherr
Gläubige bei einem Gottesdienst in der voll besetzten Kathedrale Notre-Dame de la Paix in Bukavu (Kongo)  / © Harald Oppitz (KNA)
Gläubige bei einem Gottesdienst in der voll besetzten Kathedrale Notre-Dame de la Paix in Bukavu (Kongo) / © Harald Oppitz ( KNA )

"Kongolesen, erwacht aus eurem Schlaf!" Mit diesem politisch geladenen Weckruf wandten sich jüngst die Bischöfe der Demokratischen Republik Kongo an die 99 Millionen Einwohner des Landes. Neben schwindender Demokratie und der Verfolgung von Regierungskritikern prangerten die Kirchenführer die chaotischen Wahlvorbereitungen an. Seit der Unabhängigkeit 1960 hätten solche Situationen den Kongo "wiederholt in politische Krisen" gestürzt.

Kein überraschender Streit 

Die Antwort von Präsident Felix Tshisekedi kam prompt – und ausgerechnet bei einer Kirchenveranstaltung: Statt seine Regierung zu kritisieren, sollten die Bischöfe beten und Zusammenhalt predigen. Laut Richard Moncrieff, Regionaldirektor der International Crisis Group (ICG), kommt der Streit zwischen Kinshasa und der einflussreichen Bischofskonferenz des Landes keineswegs überraschend.

Katholischer Gottesdienst im Kongo / © Harald Oppitz (KNA)
Katholischer Gottesdienst im Kongo / © Harald Oppitz ( KNA )

Gemeinsam mit anderen religiösen Organisationen betreibe die Bischofskonferenz eine große Beobachtermission, die den Wahlprozess und darunter auch die Wählerregistrierung beaufsichtige, sagt Moncrieff. "Die Tatsache, dass Regierung und Wahlkommission die vielen aufgezeigten Mängel größtenteils ignorierten, hat den Zorn der Bischöfe heraufbeschworen." 

Wahlprozess nicht glaubwürdig

Gewählt werden soll im Dezember. Dem Experten zufolge hat die Regierung in Kinshasa die Gelegenheit verpasst, den Prozess transparent und glaubwürdig zu gestalten – für die Bischöfe eine Voraussetzung für die Stabilität unseres Landes.

Seit Jahrzehnten leidet die Bevölkerung des zentralafrikanischen Riesenstaates unter Diktatoren, Rebellen, Bürgerkrieg und der Plünderung von Bodenschätzen. Die Hoffnung wuchs, als 2019 der langjährige Oppositionsführer Tshisekedi die Wahlen gewann. Jedoch stellte sich bald heraus, dass er dies offenbar durch einen Hinterzimmer-Deal mit seinem autokratischen Vorgänger Joseph Kabila bewerkstelligt hatte.

Boykott-Drohungen

Die Bischofskonferenz hatte klargemacht, dass Tshisekedi nicht der wahre Gewinner sei, sagt Politikwissenschaftler Ithiel Batumike vom kongolesischen Forschungsinstitut Ebuteli. Und: "Ebenso wenig befürworteten die Bischöfe die Koalition zwischen Tshisekedi und Ex-Präsident Kabila."

Priester am Altar bei einem Gottesdienst in Burhale (Kongo) / © Harald Oppitz (KNA)
Priester am Altar bei einem Gottesdienst in Burhale (Kongo) / © Harald Oppitz ( KNA )

Tshisekedi sieht in der Kritik der Katholikenführer ein "gefährliches Abdriften" von ihrer eigentlichen Mission, nämlich Einheit und Frieden zu fördern. Laut dem Politologen Batumike ist die Schelte aber gerechtfertigt: "Der Wahlprozess steht auf wackligen Beinen; darauf deuten viele seriöse Studien hin." Nicht nur gebe es Fragen zur Wahlfinanzierung und die fragile Sicherheit vor allem im vom Konflikten zerrütteten Osten des Landes. Wegen der herrschenden Intransparenz drohten auch einige politische Akteure bereits mit Boykott.

Staatliche Repressionen

Hinzu komme staatliche Repression: "Demonstrationen der Opposition sind verboten und werden – falls doch gestattet – unterdrückt. Regierungsgegner werden mithilfe von Gerichtsverfahren aus dem Wahlrennen gedrängt", so Batumike.

Nach der Kampfansage durch die Regierung stellte der Erzbischof von Lubumbashi, Fulgence Muteba, diese Woche im Interview mit dem Magazin"Jeune Afrique" klar: Seine Kirche sei "weder ein Verbündeter der Opposition noch ein Regierungsgegner". Dass es dadurch allerdings zu einer baldigen Versöhnung kommen könnte, bezweifelt Konfliktexperte Moncrieff: "Die Wahlkommission und die Regierung scheinen entschlossen, die Wahlen durchzuboxen, und sie zeigen sich nicht zu den Kompromissen bereit, auf die die Bischöfe drängen." Zu hoffen bleibe nun, dass die Kirchenführer ihren weiten Einfluss nutzen und im Wahlprozess eine positive Rolle spielen.

Zwist zwischen Kirche und Staat

Weiter verkompliziert werde der Zwist zwischen Kongos Kirche und Staat durch Lagerdenken, warnt Politikforscher Batumike in Kinshasa: Die Bischöfe veröffentlichten ihr Protestschreiben in der Provinz Haut-Katanga, einer Oppositionshochburg; Präsident Tshisekedi wiederum äußerte sich in seiner politischen Festung, Kasai. Dort scheine der Staatschef sogar die Unterstützung von einigen Priestern zu genießen. Sie hätten sich in der Vergangenheit gegen die Kirchenoberen aufgelehnt und für Tshisekedi das Wort ergriffen.

In den Augen von Analyst Moncrieff bleibt die Kongolesische Bischofskonferenz trotz Kritik an der Regierung eine politisch neutrale Institution. Das Gremium sei weiter konsequent in seiner Verteidigung von Prinzipien. "Sein Kampf richtet sich nicht gegen einzelne Personen."

Demokratische Republik Kongo

Die Demokratische Republik Kongo ist nach Algerien der zweitgrößte Flächenstaat Afrikas und fast siebenmal so groß wie Deutschland. Auf einem Gebiet, das etwa einem Viertel der Größe der USA entspricht, leben rund 90 Millionen Menschen. Der Kongo ist ein Vielvölkerstaat mit mehr als 200 Ethnien. Das Land im Zentrum Afrikas, das von 1971 bis 1997 Zaire hieß, hat gemeinsame Grenzen mit Kongo-Brazzaville, der Zentralafrikanischen Republik, dem Südsudan, Uganda, Ruanda, Burundi, Tansania, Sambia und Angola.

Eine Hütte an einem Hang in Burhale im Kongo ist von Bäumen und Stauden umgeben / © Harald Oppitz (KNA)
Eine Hütte an einem Hang in Burhale im Kongo ist von Bäumen und Stauden umgeben / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA