DOMRADIO.DE: Sie haben sich als Eremiten für ein ganz einfaches Leben entschieden. Wie wohnen und leben Sie?
Maria Anna Leenen (Eremitin in Norddeutschland): Ich habe ein sehr altes, kleines Haus gemietet. Ein Heuerhaus, in dem früher alte oder sehr arme Tagelöhner wohnten. Inzwischen gehört es einem Förderverein, der mich ein bisschen unterstützt. Ich bin ein Mensch, der wenig braucht und nicht viel haben will. Meine Klamotten sind bis auf wenige Ausnahmen alle secondhand. Ich habe eine Wasserleitung, kaufe bewusst ein und ich versuche, so wenig wie möglich Müll zu produzieren. Ich versuche, ein sehr einfaches und sehr nachhaltiges Leben zu führen.
DOMRADIO.DE: Wie wirkt sich der Verzicht auf materielle Dinge auf Sie aus?.
Leenen: Ich lebe seit fast 25 Jahren so und die ersten Jahre waren schon so, dass es manchmal ganz schön gepiekt hat, wenn dieses oder jenes plötzlich fehlte. Da ich das alles aber von einer tiefen christlichen Sicht her versuche zu verstehen und versuche, nicht nur zu akzeptieren, sondern den Sinn dahinter zu sehen, hat es eigentlich nicht sehr lange gedauert, bis mir klar wurde: Ich kann auf diese Dinge wirklich verzichten, ohne dass mir es an Freude und gutem Leben fehlt. Ein paar Jahre war es anstrengend, aber danach war es wirklich eine Zunahme an innerer Freude.
DOMRADIO.DE: Wie beurteilen Sie eine solche Kommerz-Initiative wie diesen Black Friday?
Leenen: Diese ganzen Werbekampagnen bekomme ich nur am Rande mit. Die versprechen uns etwas, was sie eigentlich gar nicht halten können. Sie versprechen uns, durch den Konsum wirst du schöner, intelligenter, hast du mehr Lebensfreude und mehr, was dein Leben interessant und wichtig macht. Aber das ist eine Lüge. Sie triggern mit den Werbebotschaften unsere tiefsten Ängste und Sehnsüchte, sodass wir glauben, mit diesem Konsum können wir diese stillen. Aber das ist eine Lüge. Das ist ein Versprechen, das der Konsum nicht halten kann.
DOMRADIO.DE: Trotzdem springen ja ziemlich viele Leute genau darauf an. Warum ist das so? Wollen sie ihre innere Leere füllen?
Leenen: Vielleicht ja, aber ich glaube, dass die meisten Menschen sich wenig Zeit nehmen zu reflektieren: Was brauche ich denn wirklich? Was macht mein Leben reich und schön? Was bringt mir eine tiefe Zufriedenheit? Der Konsum befriedigt. Aber das ist fast schon wie eine sanfte Droge, denn wenn diese Dinge dann plötzlich aus irgendeinem Grund fehlen, merke ich, dass ich unzufrieden bin und den Schwung und die Lebensfreude nicht mehr habe, weil mir der Konsum fehlt. Da ist ja irgendetwas daran verkehrt.
DOMRADIO.DE: Gleichzeitig sind heute die Fridays-For-Future-Demos wieder durch die Straßen gezogen. Sind die in Ihren Augen sozusagen das Gegenstück dazu? Ist diese Bewegung konsumkritisch?
Leenen: Ich glaube schon, dass viele junge Leute das kritisch hinterfragen. Aber für mich ist das erst einmal nur ein Aufschrei. Denn das, wogegen sie protestieren oder wofür Sie auf die Straße gehen, das ist ja unheimlich wichtig. Wir zerstören unseren Planeten, und die jungen Leute sind diejenigen, die im Endeffekt darunter leiden. Wenn sie eine Erde haben, die nicht mehr lebbar ist, die Wüsten zunehmen, die Ressourcen nicht mehr da sind, dann sind wir Erwachsenen schon längst tot.
Die jüngere Generation muss aber damit leben. Ich glaube, dass viele von diesen jungen Leuten das ganz klar erkannt haben und sagen: Nee, da machen wir nicht mit. Ich finde das sehr gut. Ob sie immer auch sehr konsumkritisch sind, das weiß ich nicht. Ich glaube, auch junge Leute müssen noch einen Lernprozess, eine Form von Reflektion und von Konfrontation mit den eigenen Einsichten durchmachen. Das ist für viele junge Leute ein ganz großer Schritt. Aber ich denke, dass das, womit Sie auf die Straße gehen, eine wirklich gute Sache ist. Ich kann das nur unterstützen.
DOMRADIO.DE: Was ist Ihre Botschaft? Also die Botschaft einer Eremitin zum Black Friday?
Leenen: Ganz einfach: Am kommenden Sonntag sich die Zeit nehmen - ein, zwei Stunden - und auf einen großen Zettel genau die Dinge aufschreiben, von denen ich glaube, dass ich die wirklich brauche. Diesen Zettel irgendwo bis Weihnachten da hinhängen, wo ich immer daran vorbeigehe, sodass ich jeden Tag überlegen kann: Brauche ich diese Dinge wirklich? Vielleicht kann ich nach und nach einige wegstreichen. An Weihnachten werfe ich dann noch einmal einen ganz neuen Blick auf mein Konsumverhalten und meine innersten, tiefsten Sehnsüchte, die mich davon abhalten, auf solche billigen Werbeversprechen wie die des Black Friday hereinzufallen.
Das Interview führte Hilde Regeniter.