DOMRADIO.DE: Die Caritas ist einer der Träger der Seniorennetzwerke. Wie funktioniert ein gutes Netzwerk? Das ist in den Stadtteilen ja durchaus unterschiedlich.
Kerstin Bienek (Servicestelle Selbstorganisierte Seniorennetzwerke Nippes/Chorweiler/Porz des Caritasverbands der Stadt Köln): Das stimmt. Das ist von Stadtteil zu Stadtteil tatsächlich sehr verschieden. Wir würden auch gar nicht in gute und schlechte Netzwerke unterteilen, sondern es ist tatsächlich so, dass Netzwerke immer ein Zusammenschluss aus Menschen sind, die sich gemeinsam für ihre Interessen einsetzen wollen und gemeinsam Aktivitäten unternehmen wollen.
Sie bekommen am Anfang Unterstützung durch einen hauptamtlichen Koordinator oder eine Koordinatorin. Das Ziel ist, dass sie sich nach ungefähr drei bis fünf Jahren dann in die Selbstorganisation begeben und selbst ihre Belange weiter verwalten und das Netzwerk erhalten.
DOMRADIO.DE: Sie bauen die Netzwerke dann also mit ihren Kolleg:innen, aber auch in Rücksprache mit den Seniorinnen und Senioren im Stadtteil auf. Wenn die beispielsweise Boule spielen wollen und einen Platz dafür suchen, würden Sie da dann auch behilflich sein?
Bienek: Absolut. Genauso funktioniert das. Wir machen immer zu Beginn eine Stadtteil-Analyse, um zu schauen: Wie sind denn die Bedarfe vor Ort? Was gibt es schon, was fehlt vielleicht noch? Das hat immer damit zu tun, dass wir die Menschen ganz direkt ansprechen.
Jeder, der sich engagieren möchte, kann sich im Prinzip da engagieren, wo er das wirklich wünscht. Wenn ich Interesse habe, Boule zu spielen und einfach Gleichgesinnte suche, dann unterstützen wir eben genau das. Wo kann man Boule spielen? Wer möchte mitspielen?
DOMRADIO.DE: Brauchen die Herren und Damen auch einen Ort, an dem sie sich treffen können, der auch im Winter geheizt ist?
Bienek: Zum Beispiel. Das ist so was, was wir dann auch begleiten. Wir suchen Kooperationspartner, die vielleicht Räumlichkeiten haben, die zu manchen Tageszeiten nicht genutzt sind und wo man dann vielleicht solche Treffen organisieren kann.
DOMRADIO.DE: Die Corona-Pandemie hat nicht nur die Familien stark belastet, sondern auch die Senior:innen, die sich teilweise sehr stark isoliert haben. Spüren Sie in den Seniorennetzwerken immer noch Nachwirkungen?
Bienek: Die spüren wir auf jeden Fall. Es war so, dass gerade diese Bezeichnung als "Risikogruppe" für viele sehr schwierig war. Man hat sich zurückgezogen. Es wurde dazu aufgefordert, Kontakte zu vermeiden. Das alles wieder zu kitten und die Menschen wieder miteinander in Verbindung zu bringen, bedarf viel Zeit.
Wir merken schon, dass viele sich doch mehr zurückgezogen haben, als wir das von vornherein erwartet hätten. Es wurden viele kreative Lösungen gesucht, wir haben die Kontakte gehalten, aber das war nicht einfach und hat viel Kreativität auch von den Kolleginnen und Kollegen und den Ehrenamtlichen gefordert.
DOMRADIO.DE: Kürzlich hat Innenministerin Faeser Erleichterungen für besonders Engagierte vorgeschlagen: Wer ein Leben lang durch ein Ehrenamt geholfen habe, könne früher in Rente gehen. Was halten Sie von so einem Vorschlag?
Bienek: Das ist auf jeden Fall ein spannender Vorstoß. Wir werden uns an so einer Diskussion immer beteiligen. Es ist schon so, dass wir uns natürlich freuen, wenn überhaupt über Ehrenamt gesprochen wird und es auch eine Anerkennung für das gibt, was die Menschen tun.
Trotzdem muss man so einen Vorschlag natürlich auch genau betrachten. Man muss gucken, dass zum Beispiel das Rentenniveau dadurch nicht sinkt. Man muss auch schauen: Wie misst man das? Ab wann ist eine ehrenamtliche Tätigkeit dafür geeignet? Ich denke, da muss man einige Sachen auch noch gemeinsam klären. Aber grundsätzlich sind wir für so eine Diskussion auf jeden Fall offen.
Das Interview führte Tobias Fricke.