Im Nationalkongress gebe es "beängstigende Bestrebungen, die Verfassung zu ändern und bereits durchgeführte Demarkierungen von Indio-Gebieten zu revidieren", sagte Kräutler der "Wiener Zeitung". Er verwies darauf, dass eigentlich mit der Verfassungsänderung von 1988 die "brasilianische Apartheid-Geschichte" geendet habe. Zuvor seien die Indios als "die Wilden" und die Weißen als "die Zivilisierten" betrachtet worden. Die katholische Kirche in Brasilien und verschiedene Pro-Indio-Organisationen stemmten sich vehement gegen eine neuerliche Entrechtung. "Unser Kampf für die Rechte der indigenen Völker geht also weiter", betonte Kräutler.
Der Bischof der brasilianischen Amazonas-Diözese Xingu sieht die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und die bevorstehenden Olympischen Sommerspiele in Brasilien als "panem et circenses" ("Brot und Spiele"). Dies seien Großereignisse, mit denen die Bevölkerung nur abgelenkt werden solle. Brasilien stecke "in einer schrecklichen Krise, wirtschaftlich und vor allem moralisch", sagte Bischof Kräutler. Medien und Justiz hätten ihre politische Unabhängigkeit aufgegeben, Politiker aller Parteien seien in Korruptionsskandale verstrickt.
Nach seiner altersbedingten Emeritierung Anfang April wird der 76-jährige Kräutler noch bis 2019 der Kommission der Brasilianischen Bischofskonferenz für Amazonien angehören. Den Bischofsstab seiner Diözese wird der gebürtige Vorarlberger nach 35 Jahren an den Franziskanerpater Joao Muniz Alves weitergeben. Kräutler war 2010 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden.