Kraft: Unterstützung nicht "nach Himmelsrichtung verteilen"

Solidarpakt Ost - ein Auslaufmodell?

Am Wochenende hatte die nordrhein-westfälische SPD-Chefin Hannelore Kraft gefordert, die Ost-Förderung zu überdenken.

 (DR)

16 Jahre nach der Einheit müsse man endlich davon wegkommen, Unterstützung nach der Himmelsrichtung statt nach der Bedürftigkeit zu verteilen, hatte Kraft in der "Bild am Sonntag" verlangt und damit eine neue Diskussion um den Solidarpakt losgetreten.

Die Vorsitzenden der bayerischen CSU-Landtagsfraktion und der SPD-Fraktion im niedersächsischen Landtag, Joachim Herrmann und Wolfgang Jüttner, forderten am
Dienstag, das Thema im Rahmen der Föderalismusreform II zu erörtern.
Im Zuge der Föderalismusreform II werde "mit Sicherheit auch der Verfassungsanspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland geprüft", so Jüttner. Es sei bekannt, dass "die Situation in vielen Teilen Ostdeutschlands nach wie vor problematisch ist, aber auch im Westen gibt es nicht nur Wohlstand", fügte der designierte SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl im kommenden Jahr hinzu. Vor diesem Hintergrund erwarte er von der Föderalismuskommission II angemessene Antworten.

Solidarpakt läuft bis 2019
Klaus von Dohnanyi (SPD) sieht kaum Spielraum, die Gelder vor 2019 zu kürzen. Der frühere Aufbau-Ost-Berater der Bundesregierung sagte der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse" (Dienstagausgabe), vorgesehen sei, dass der Solidarpakt II im Jahr 2019 auslaufe und nicht verlängert werde. "Daran sollten sich alle Parteien orientieren, und an dieser Vereinbarung würde ich nicht rütteln", betonte er.

Derzeit würde der Osten wirtschaftlich noch immer ein Drittel hinter dem Westen herhinken, sagte von Dohnanyi: "Der Unterschied zwischen Ost und West ist riesig." Deshalb sei es gerecht, dass im Finanzausgleich der Länder "der größte Brocken" in die ostdeutschen Länder gehe. Zugleich betonte er, dass der Aufbau Ost zu Lasten des Westens erfolge: "Wenn ein Land 1,4 Billionen Euro aus dem Westen in den Osten transferiert, um dort ein über Jahrzehnte verrottetes System in Ordnung zu bringen, muss das jemand bezahlen."

Schere weiter geöffnet
Der jetzige Aufbau-Ost-Minister Tiefensee verwies darauf, dass sich die Schere zwischen Ost und West in den vergangenen Jahren sogar weiter geöffnet habe. Allerdings habe 2006 erstmals seit vielen Jahren das Wachstum im Osten wieder knapp höher als im Westen gelegen. Damit komme der ins Stocken geratene Aufholprozess der neuen Länder wieder in Gang. "Wir dürfen in unseren Anstrengungen nicht nachlassen", mahnte der Minister.

Links-Fraktionschef Gregor Gysi schlägt vor, die Ost-Förderung auch auf Teile des Westens ausdehnen. Strukturschwache Regionen gebe es vornehmlich in den neuen Bundesländern, aber zunehmend auch in den alten Bundesländern, "und die bedürfen natürlich genauso der Förderung", sagte Gysi am Montag dem TV-Sender N24. Hier sei seine Partei "völlig offen", solange nicht zulasten des Ostens gekürzt werde.