Ihr Lächeln grüßt von Hauswänden und T-Shirts. Vor ihrem früheren Wohnhaus im Londoner Szeneviertel Camden erinnern Blumen und Bierdosen an die Künstlerin, die hier gelebt hat; ein paar Straßen weiter steht – lebensgroß, also zart und zierlich – eine Bronzestatue. Das Gedenken an Amy Winehouse bleibt in diesem Viertel lebendig. Vor zehn Jahren, am 23. Juli 2011, starb die Soulsängerin mit jüdischen Wurzeln.
Der "Club 27"
27 Jahre alt war Winehouse zum Zeitpunkt ihres Todes – in der Rockmusik eine mythische Zahl. Um 1970 starben mehrere einflussreiche Künstler in rascher Folge in genau diesem Alter: Rolling-Stones-Mitbegründer Brian Jones, Jimi Hendrix, Janis Joplin und Jim Morrison. 1994 trat Kurt Cobain dem sogenannten Club 27 bei, und von Winehouse ist die Aussage überliefert, sie befürchte, ebenfalls Mitglied zu werden. Die düstere Vorahnung erfüllte sich.
Amy Winehouse war Jüdin
1983 in London geboren, wuchs Amy in einer Familie auf, die durchaus Wert auf Traditionen legte. So besuchten die Kinder die jüdische Grundschule – an die sich Amy später allerdings eher ungern erinnerte. Sie habe dort nichts über das Judentum gelernt und stets gebettelt, nicht hingehen zu müssen, erklärte sie.
Über ihre Spiritualität machte die Musikerin, die mit ihrer Soul-Stimme düstere Songs wie "Back to Black" ebenso unverwechselbar interpretieren konnte wie das aufmüpfig-schwungvolle "Rehab", widersprüchliche Aussagen. "Am Ende des Tages bin ich ein jüdisches Mädchen", sagte sie einmal, ein andermal, sie sei überhaupt nicht religiös. Sie glaube eher an das Schicksal.
Die Beziehungen zu anderen Personen, "deiner Mutter, deiner Oma, deinem Hund", das sei doch das, was glücklich mache, "neben Schuhen und Handtaschen". Eine nachdenkliche, aber auch lebenslustige Aussage - genau so beschreiben Vertraute die Sängerin. Sie selbst betrachtete sich offenbar stets als Familienmenschen.
Jüdisch zu sein, bedeute für sie nicht, Kerzen anzuzünden und Segensworte zu sprechen, sagte sie einmal dem Portal totallyjewish.com. Es gehe vielmehr darum, als Familie zusammen zu sein. Mit 22 Jahren kündigte sie an, in zehn Jahren wolle sie sieben Kinder haben: "Ich weiß, dass ich talentiert bin, aber ich wurde nicht zum Singen auf die Welt gebracht. Ich bin hier, um Ehefrau und Mutter zu sein und mich um meine Familie zu kümmern."
Drogenkonsum und psychische Probleme
Nichts davon sollte Winehouse tatsächlich erleben. In ihren letzten Monaten habe sie vor allem ein Ziel verfolgt, betont ein Freund von ihr kürzlich: clean zu werden. Seit ihrem internationalen Durchbruch im Jahr 2004 kämpfte die Sängerin mit Drogenabhängigkeit und mit psychischen Problemen.
Nach ihrem Tod – sie starb am Abend eines strahlenden Sommertages an einer Alkoholvergiftung – hielt die Familie eine Shiva, die siebentägige jüdische Trauerwoche. Die berühmte Tochter wurde auf einem jüdischen Friedhof im Norden Londons beerdigt. Dies sorgte ebenso für Kontroversen wie Amys Lebenswandel in den Jahren zuvor.
Sie wurde eingeäschert, was orthodoxe Juden ablehnen. Im Folgejahr gründete ihr Vater eine Stiftung, die Kindern in Not helfen soll – immer wieder wurde ihm indes vorgeworfen, sich am Schicksal seiner Tochter zu bereichern. Die Perspektive ihrer Mutter zeigt nun ein neuer Dokumentarfilm der BBC.
Wurde ihr Glaube überbetont?
Zwei Jahre nach Winehouse' Tod zeigte das Jüdische Museum ihrer Heimatstadt eine Ausstellung mit dem Namen "Amy Winehouse: A Family Portrait" (dt. "Amy Winehouse: Ein Familienbildnis"). Die Schau wurde später auch in Israel und San Francisco gezeigt und reicht zurück bis zur Einwanderung von Vorfahren der Familie, die 1890 aus Weißrussland nach England gekommen waren. Kritiker monierten, der Bezug der Künstlerin zur Religion werde überbetont; andere Beobachter meinten jedoch, sie sei stolz auf ihre jüdischen Wurzeln gewesen.
Wie gläubig Amy Winehouse wirklich war, wird wohl eine der offenen Fragen der Musikgeschichte bleiben. Andere Facetten ihrer Persönlichkeit lassen sich besser nachvollziehen. Als "genuine" wolle sie den Menschen im Gedächtnis bleiben, sagte sie einmal. Das lässt sich mit dem in der Popkultur häufig bemühten "authentisch" übersetzen, aber auch mit "echt" oder "aufrichtig".