DOMRADIO.DE: Was ist das für ein Gefühl, einen sterbenskranken Menschen mitzunehmen und ihn dahin zu bringen, wo er gerne noch einmal hin möchte?
Carl Philipp Rudolfi (Rettungsassistent und Koordinator der Herzenswünsche für die Malteser in Köln): An sich ist das ein sehr schönes Gefühl, weil es immer bedeutet, dass wir an so einem Tag mit einem Geschenk zu der Person kommen. Dementsprechend steht das auch meistens nicht unbedingt unter einem tragischen oder traurigen Stern, sondern es ist vielmehr etwas ganz Wundervolles für sterbenskranke Menschen. Ebenfalls merkt man, dass die Menschen entsprechend aufblühen, was uns auch Angehörige berichten. Es ist ein sehr schöner Tag und für einen selbst auch ein sehr bereicherndes Erlebnis.
DOMRADIO.DE: Wo fahren Sie mit den Menschen hin? Was sind denn beispielsweise Herzenswünsche?
Rudolfi: Die Wünsche sind sehr unterschiedlich. Oft sind es eher kleinere Dinge, wie beispielsweise der Wunsch eines Gastes, der gerne ein letztes Mal in den Wald gehen wollte und Pilze sammeln wollte. Das wäre jetzt nicht mein erster Gedanke, wenn ich an einen großen letzten Wunsch denken würde. Dem Gast hat dies aber sehr, sehr viel bedeutet und das hat ihn auch sehr bewegt.
DOMRADIO.DE: Ein Mensch ist sterbenskrank und kann trotzdem noch Pilze sammeln. Da kommt die Frage auf, wofür man dann noch einen Krankenwagen braucht?
Rudolfi: Letztendlich ist es so, dass wir Leute unterstützen. Der Gast war nicht mehr fußläufig unterwegs und lag entsprechend auf einer Trage und wurde von uns durch den Wald gefahren. Begleitet hat uns ein Ortskundiger, der auch erfahrener Pilzsammler ist. Die beiden haben sozusagen zusammengearbeitet. Der Patient hat von der Trage aus delegiert und dadurch auch aktiv an dem Ausflug teilnehmen können.
DOMRADIO.DE: Gibt es noch einen Herzenswunsch, an den Sie sich besonders erinnern?
Rudolfi: Im Grunde erinnere ich mich an jeden Wunsch, da alle ganz besonders und einzigartig sind. Wir hatten schon viele verschiedene Wünsche, zum Beispiel den kleinen Jonathan, der acht Jahre alt war. Er ist seit der Geburt schwer herzkrank und musste entsprechend viele Operationen durchmachen. Sein Traum ist es eines Tages, wenn er gesund und erwachsen ist, als Notfallsanitäter zu arbeiten. Für ihn war das besondere Erlebnis, dass wir ihm ermöglicht haben, für einen Tag beim Rettungsdienst zu arbeiten. Eine Kollegin und ich haben ihn begleitet, haben ihm viel gezeigt und waren auch mit dem Rettungswagen unterwegs.
Dann erinnere ich mich noch an einen älteren Patienten, der unmittelbar im Sterben lag. Er wollte, als großer Freund der Dudelsack-Musik, das letzte Mal auf eine schottische Militärparade. Das bleibt natürlich präsent, weil man durchaus mitbekommt, wieviel Bedeutung diese Erlebnisse für die Menschen haben.
DOMRADIO.DE: Wie oft sind Sie denn so in Sachen Herzenswunsch unterwegs?
Rudolfi: Bisher war es so, dass wir sehr eingeschränkt waren, da wir die Wünsche aus dem Regeldienst heraus erfüllen mussten und kein eigenes Fahrzeug dafür hatten. Entsprechend war das immer sehr von dem Einsatzaufkommen an den Tagen abhängig und wir konnten nie mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass wir eine Fahrt durchführen konnten. Das hat dann leider auch dazu geführt, dass wir manche Fahrten eben nicht machen konnten. Jetzt haben wir aber das große Glück, ein eigenes Fahrzeug speziell für den Herzenswunsch zu haben und so das große Ziel haben am liebsten täglich damit zu fahren.
DOMRADIO.DE: Wenn das jetzt jemand hört und sagt, er kenne auch jemanden, der sich gerne einen Herzenswunsch erfüllen lassen möchte. Wie macht man das?
Rudolfi: Wir haben einen speziellen Koordinator für das ganze Land Nordrhein-Westfalen, an den man sich wenden kann. Dieser überprüft dann zunächst die Patientengeschichte, den Hintergrund und ob der Patient zu dem Projekt passt. Im Regelfall ist es so, dass wir innerhalb von 48 Stunden eine Fahrt zusagen können. Meistens haben die Leute eine sehr konkrete Vorstellung, was sie machen möchten und dann sind wir dafür verantwortlich, kurz mit den Veranstaltern zu sprechen und Organisatorisches auf dem kürzesten Weg zu klären.
DOMRADIO.DE: Wie werden die Herzenswünsche finanziert?
Rudolfi: Die Wünsche werden komplett durch Spenden finanziert. Das ist das Schöne. Es gibt eben viele Leute, die das Potenzial und die Freude an diesem Projekt für sich entdeckt haben und es fördern. Dadurch haben wir die Möglichkeit, dass die Leute das im Regelfall unentgeltlich machen können.
DOMRADIO.DE: Jetzt bekommen sie gleich den neuen Herzenswunsch-Wagen. Was bedeutet dies für Ihre Arbeit?
Rudolfi: Das bedeutet vor allem, dass wir jetzt ein eigenes Fahrzeug haben und nicht mehr auf unsere regulären Fahrzeuge angewiesen sind. Außerdem finde ich, dass wir den Leuten, ein etwas angenehmeres Erlebnis ermöglichen können, da ein Krankenwagen immer sehr an ein medizinisches Krankenhausumfeld erinnert. Die Leute, die teilweise auf Palliativstationen sind, befinden sich sowieso in diesem Umfeld. Das neue Fahrzeug hebt sich dagegen ganz deutlich davon ab, was bedeutet, dass es wesentlich wohnlicher ausgestattet ist. Es hat einen anderen Boden und andere Schränke. Wenn man in diesem Wagen ist, hat man das Gefühl, dass man eher in einem luxuriösen Taxi sitzt anstatt in einem Krankenwagen. Das ist etwas ganz Wunderbares und auch sehr angenehm für uns.
Das Interview führte Heike Sicconi.