Kritik an geplanter Abschiebung von Irak-Füchtlingen

Regierung wegen Asylpolitik unter Druck

Die Bundesregierung gerät wegen der geplanten Abschiebung von Irak Flüchtlingen unter Druck. Politiker aus Regierungs- und Oppositionsparteien sowie Menschenrechtsgruppen kritisierten Bestrebungen des Bundesinnenministeriums, Flüchtlinge trotz einer bürgerkriegsähnlichen Situation in den Irak abzuschieben.

 (DR)

Beck: Zynische Perversion von Juristerei
"Das darf nicht sein", sagte der SPD Berichterstatter im Bundestags-Menschenrechtsausschuss, Christoph Strässer, der Nachrichtenagentur ddp. Der FDP-Fachmann Florian Toncar bezeichnete Rückführungen als "nicht vertretbar, solange der Irak derart unsicher ist".

Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, nannte die entsprechenden Verfahren eine "zynische Perversion von Juristerei". Die Politiker forderten übereinstimmend einen Abschiebestopp. Der Bundestagsabgeordnete Michael Leutert (Linke) kündigte einen entsprechenden Antrag seiner Fraktion an.

amnesty: Abschiebestopp dringend notwendig
Ruth Jüttner von der Menschenrechtsorganisation amnesty international mahnte: "Die Menschenrechtslage im Irak macht einen Abschiebestopp dringend notwendig." Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) hatte angesichts der instabilen Lage im Irak erst vor wenigen Tagen dazu aufgerufen, keine irakischen Flüchtlinge abzuschieben. Anerkannte Flüchtlinge sollten ihren Status behalten.

In den vergangenen drei Jahren sind gegen rund 18 000 Irak-Flüchtlinge Widerrufsverfahren eingeleitet worden, deren Ziel es ist, ihnen den Flüchtlingsstatus zu nehmen. In tausenden Fällen waren die Verfahren erfolgreich. Als Konsequenz wird ihnen nach Erfahrungen von amnesty international überwiegend auch die Aufenthaltserlaubnis entzogen.

"Das macht die Menschen kaputt"
Damit sind die Iraker lediglich noch geduldet und müssen sich dies alle drei Monate neu bestätigen lassen. Sie bekommen schwieriger Arbeit, haben Probleme Wohnungen zu finden oder zu halten. "Und sie sind in ständiger Angst vor Abschiebung. Das macht die Menschen kaputt", betonte Kopp, "was die Innenminister betreiben ist ein Verunsicherungs- und Verdrängungsprogramm. Und das ist genau so gewünscht."

Im vergangenen November hatte die Konferenz der Innenminister
beschlossen, dass mit Rückführungen von Irakern, die straffällig geworden seien, in den Nordirak begonnen werden könne. Niedersachsen und Bayern setzen diesen Beschluss bereits in Erlasse um. Bayerns Innenministerium lässt Listen mit möglicherweise abzuschiebenden Irakern zusammenstellen.

Als "straffällig" gelten dabei Personen die zu einer Strafe von mehr als 50 Tagessätzen verurteilt worden sind. Die können allerdings schon zusammenkommen, wenn ein Flüchtling mehrfach die Grenzen seines eng umrissen Aufenthaltsbereich überschritten hat. "Und wir fürchten", warnte Amnesty-Expertin Jüttner, "dass dies nur ein Einstieg ist, dass nach und nach immer weitere Gruppen abgeschoben werden sollen." Außerdem sei auch der Nordirak noch lange nicht so sicher und stabil, dass dorthin abgeschoben werden dürfte.

"Schlichtweg zynisch"
Hintergrund des Vorgehens der Innenminister ist die Argumentation, der Fluchtgrund der meisten Iraker sei das Regime Saddam Husseins gewesen. Da dieses Regime nicht mehr existiere, sei auch der Grund für dieAnerkennung des Asylstatus verschwunden. Josef Winkler, der
migrationspolitische Sprecher der Grünen sagte: "Diese Begründung ist angesichts der Gewalt und Unsicherheit im Irak schlichtweg zynisch. Ich halte es für grausam, was die Innenminister machen."

Laut Bundesinnenministerium sollen die Widerrufsverfahren nun für bestimmte Gruppen für vier Monate zurückgestellt werden. Als Beispiel wurden gegenüber der Nachrichtenagentur ddp "Personen aus dem Großraum Bagdad" genannt. Amnesty-Vertreterin Jüttner bezeichnete  dies als einen "ersten positiven Schritt, der aber nicht ausreiche". SPD-Politiker Strässer sagte: "Da sich die Lage im Irak täglich verschlechtert, muss von den Widerrufsverfahren Abstand genommen werden."