Die Karfreitagsfürbitte äußere eine "Hoffnung und nicht den Vorsatz", unter Juden Mission zu treiben, betonte der Kurienkardinal, der auch für den Dialog mit dem Judentum zuständig ist. Kasper wies zugleich darauf hin, dass das Judentum Gebetstexte kenne, "die uns Katholiken nicht gefallen". Beide Religionsgemeinschaften müssten sich auch bei solchen Differenzen gegenseitig respektieren. "Ich verstehe nicht, warum die Juden nicht akzeptieren können, dass wir bei der Formulierung der Gebete unsere Freiheit nutzen."
Die Reaktionen auf Papst Benedikts Änderung der umstrittenen "Karfreitagsfürbitte für die Juden" waren weitgehend kritisch. Der jüdische Historiker Günther B. Ginzel fordert im domradio-Interview die Streichung der gesamten Fürbitte. Im lateinischen außerordentlichen Ritus (sog. Alte Messe) muss das Gebet für die Juden nun in einer geglätteten Form gesprochen werden. Von einer "Verblendung jenes Volkes" und "perfiden Juden" ist keine Rede mehr. Trotzdem wird die Fürbitte als Missionierung verstanden.
Ginzel bedauert, dass durch die Wiederzulassung des alten Ritus diese Fürbitte wieder ausgesprochen werde. Dies sei ein "Liebesdienst an antijüdische, reaktionäre Kreise" in der katholischen Kirche und ein Rückschritt im christlich-jüdischen Dialog. Auch der Kölner Gemeinderabbiner Netanel Teitelbaum ist enttäuscht, er hoffe auf ein Missverständnis, 'sagte er Radio Vatikan. Er verlangt eine Klarstellung des Papstes um den Dialog nicht zu gefährden. Gleichzeitig erinnerte er an die Ansprache des Papstes 2005 in der Kölner Synagoge.
Auch in Israel und den USA ist die Neufassung der katholischen Karfreitagsfürbitte für die Juden mehr oder weniger kritisch aufgenommen worden. Der Rabbiner David Rosen sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch in Jerusalem, dass die Juden "die Grenzen des theologischen Denkens von Benedikt XVI." akzeptieren müssten. Gleichwohl habe der Papst viele Schritte in Richtung Judentum getan.
Die neuen Formulierungen seien "das Beste, was in der Theologie von Papst Benedikt XVI. möglich gewesen ist bei dem Bemühen, nett zu uns Juden zu sein", fügte Rosen hinzu. Rosen wurde vom Vatikan für seine Bemühungen um den jüdisch-christlichen Dialog ausgezeichnet. Enttäuschungen über die neuen Formulierungen zeigen laut Rosen, "wie weit wir schon bei den Gesprächen zwischen Judentum und Vatikan gelangt sind", und wie hoch die jüdischen Erwartungen seien.
"Bedeutende Verbesserung"
Der Augsburger Rabbiner Brandt sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), es handele sich bei der Neufassung um eine "bedeutende Verbesserung" gegenüber den früheren Formulierungen. Der Vatikan hätte allerdings gut daran getan, dieses Problem schon vor der Wiederzulassung der lateinische Messe von 1962 im vergangenen September zu lösen. Dann wäre "viel böses Blut vermieden" worden.
Brandt äußerte Verständnis dafür, dass die katholische Kirche in der Fürbitte darum betet, dass auch die Juden Jesus Christus erkennen mögen. Das sei aus christlicher Sicht und in einem liturgischen Text legitim, sagte er. Auch die Juden beteten darum, dass alle Menschen den einzigen Gott erkennen mögen.
"Dringende tiefe Bedenken" äußerte hingegen der Direktor der US-amerikanischen Anti-Defamation League (ADL), Abraham Foxman, in einem offenen Brief an den Papst. Er kritisierte, dass die Juden erneut aufgerufen würden, ihre religiöse Identität aufzugeben. Dies sei "verheerend" für die vertieften Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem jüdischen Volk, schreibt Foxman. Das Bestreben, die "ausgeprägte jüdische Lebensweise zu beenden", bleibe ein besorgniserregender Aspekt und widerspreche den Lehren des Konzil-Dokuments "Nostra Aetate".
Mit der neuen Fassung des lateinischen Textes durch den Papst wird die bereits 1962 entschärfte Fürbitte nochmals theologisch angepasst. Im alten Formular von 1962 war immer noch von einer "Verblendung jenes Volkes" die Rede, das aus seiner "Finsternis entrissen" werden sollte. Gegen diese Formulierung, die seit der Wiederzulassung des älteren Ritus durch den Papsterlass "Summorum pontificum" vom 7.7.2007 wieder in mehr Gottesdiensten als zuvor hätte gebetet werden können, war Widerstand von jüdischer, aber auch von christlicher Seite laut geworden.
Kritiker sahen darin eine antijüdische Haltung im Geist einer noch älteren Formulierung der Karfreitagsbitte, in der die katholischen Gemeinden einst "für die treulosen Juden" beteten.
Die neue lateinische Fürbitte für den lateinischen "außerordentlichen Ritus" lautet nun in deutscher Übersetzung: "Lasst uns auch beten für die Juden, auf dass Gott unser Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen, den Retter aller Menschen. Lasset uns beten. Beuget die Knie. Erhebet euch. Allmächtiger ewiger Gott, der Du willst, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Gewähre gnädig, dass beim Eintritt der Fülle aller Völker in Deine Kirche ganz Israel gerettet wird. Durch Christus unseren Herrn. Amen"
Der verbindliche lateinische Originaltext lautet: "Oremus et pro Iudaeis Ut Deus et Dominus noster illuminet corda eorum, ut agnoscant Iesum Christum salvatorem omnium hominum. Oremus. Flectamus genua. Levate. Omnipotens sempiterne Deus, qui vis ut omnes homines salvi fiant et ad agnitionem veritatis veniant, concede propitius, ut plenitudine gentium in Ecclesiam Tuam intrante omnis Israel salvus fiat. Per Christum Dominum nostrum. Amen."
Kritik an Papst Benedikt XVI. nach Änderung der Karfreitagsfürbitte für die Juden - Kardinal Kasper widerspricht
Liebesdienst an antijüdische, reaktionäre Kreise?
Kurienkardinal Walter Kasper hat die neue Karfreitagsfürbitte für die lateinische Messe gegen jüdische Kritik verteidigt. Die Textpassage enthalte keine Aufforderung zur Bekehrung von Juden, betonte der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates. Das Gebet für die Karfreitagsliturgie stamme aus dem Römerbrief des Apostels Paulus und drücke die Hoffnung aus, dass "am Ende der Geschichte auch das Volk Israel in die Kirche eintritt".
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