Bostons Kardinal Sean O'Malley hat sich kritisch zu einer umstrittenen Papst-Aussage geäußert, mit der dieser am Donnerstag in Chile den chilenischen Bischof Juan Barros verteidigt hatte. Gleichzeitig verteidigte O'Malley die Arbeit von Papst Franziskus. Barros wird vorgeworfen, Fälle von sexuellem Missbrauch vertuscht zu haben. Auf die Frage eines Journalisten am Rand eines Gottesdienstes sagte Franziskus, es gebe "keinen einzigen Beweis" gegen Barros. "Alles ist Verleumdung. Ist das klar?"
Papst Franziskus erkenne die Verbrechen
Kardinal O'Malley, Vorsitzender der päpstlichen Kinderschutzkommission, äußerte Verständnis für den Unmut über die Papstworte. Es sei "verständlich, dass die Papstworte in Chile für großen Schmerz bei Überlebenden sexuellen Missbrauchs" gesorgt hätten. Äußerungen, die die Botschaft vermitteln, "wenn du deine Vorwürfe nicht belegen kannst, glaubt man dir nicht", ließen jene allein, die derartige Gewalt erlitten haben, und stellten Opfer ins Abseits, so O'Malley, der auch zum Beraterkreis des Papstes gehört.
Allerdings sei er mit den Einzelheiten des Falls in Chile nicht gut vertraut und könne sich daher dazu nicht äußern, sagte O'Malley weiter. Er wisse aber, dass Papst Franziskus das gravierende Versagen der Kirche und ihrer Geistlichen ebenso vorbehaltlos anerkenne wie die zerstörerischen Folgen der Verbrechen für die Opfer und ihre Familien.
Warten auf Beweise
Der Papst hatte seine Antwort an den Reporter in Chile mit den Worten beendet: "An dem Tag, an dem man mir einen Beweis gegen Bischof Barros vorlegt, werde ich sprechen." Barros wird beschuldigt, von sexuellen Vergehen des Priesters Fernando Karadima gewusst zu haben. Belege dafür gibt es bislang nicht. Der heute 87-jährige Karadima, einst einer der prominentesten Geistlichen Chiles, wurde 2011 wegen Missbrauchs verurteilt. Barros zählte zu seinem geistlichen Schülerkreis.