Kritiker machen Putin nach Deutschlandbesuch Vorwürfe

"Scheinheilig und zynisch"

Der Deutschlandbesuch des russischen Präsidenten Putin beim Petersburger Gipfel sollte eigentlich rein wirschaftlichen Interessen dienen. Überschattet wurde er jeodch von dem Mord an der regierungskritischen Journalistin Anna Politkowskaja am vergangenen Samstag in Moskau. Putin hatte bereits am Dienstag gegenüber Bundeskanzlerin Merkel zugesichert, es werde „alles" für eine Aufklärung des Verbrechens getan.

 (DR)

Der Deutschlandbesuch des russischen Präsidenten Putin beim Petersburger Gipfel sollte eigentlich rein wirschaftlichen Interessen dienen. Überschattet wurde er jeodch von dem Mord an der regierungskritischen Journalistin Anna Politkowskaja am vergangenen Samstag in Moskau. Putin hatte bereits am Dienstag gegenüber Bundeskanzlerin Merkel zugesichert, es werde „alles" für eine Aufklärung des Verbrechens getan. Dies tat er am Mittwoch auch in Bayern beim Treffen mit Ministerpräsident Stoiber. Kritiker nennen nun Putins Äußerungen zur Pressefreiheit „scheinheilig" und "zynisch". Hören Sie zum Deutschlandbesuch Putins ein domradio-Interview mit Dr. Michael Rutz, Chefredaktuer des Rheinischen Merkurs.


Stoiber zufrieden
Nach den Worten von Stoiber brachte Putin „deutlich zum Ausdruck", dass er diese Rechte stärken und durchsetzen werde. Stoiber äußerte die Hoffnung, dass die Mörder der russischen Journalistin Anna Politkowskaja bald festgenommen werden. Stoiber mahnte, die Pressefreiheit gehöre zu einer starken und lebendigen Demokratie.

Die bayerische Grünen-Spitze demonstrierte bei dem Eintreffen Putins mit einer Mahnwache gegen die Situation der Menschenrechte in Russland. Als der Präsident am Mittag auf dem roten Teppich in die Münchner Residenz schritt, hielten rund 20 Grünen-Politiker schweigend Plakate mit dem Foto der ermordeten Journalistin Politkowskaja nach oben.
Bei dem Treffen mit den Wirtschaftsvertretern ging es vor allem um eine Stärkung der bayerisch-russischen Handelsbeziehungen. An dem Gespräch nahmen unter anderem Audi-Vorstandschef Martin Winterkorn und Siemens-Chef Klaus Kleinfeld teil. Thema war auch eine mögliche Kooperation des Konzerns EADS mit der russischen Luft- und Raumfahrt. Stoiber betonte jedoch, bei „strategischen Industrien" müsse es Beteiligungs-Grenzen geben.

DJV nennt Putins Äußerungen zu Pressefreiheit „scheinheilig"
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat die jüngsten Aussagen Putins zum Thema Pressefreiheit in seinem Land als „scheinheilig" bezeichnet. Es sei zynisch, vor dem Hintergrund des Mordes an der regierungskritischen Anna Politkowskaja und den alltäglichen Repressionen gegen Journalisten in Russland von einem Fortschritt der dortigen Pressefreiheit zu sprechen, sagte der DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken am Mittwoch in Berlin. „Das grauenhafte Verbrechen an der regierungskritischen Journalistin ist nur die Spitze eines Eisberges", sagte Konken. „Die Unterdrückung kritischer Journalisten und Medien in Russland hat Ausmaße angenommen, wie wir sie aus der Sowjetzeit kennen."

Konken forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, die von Putin zugesagte rückhaltlose Aufklärung des Mordes an Politkowskaja weiter zu verfolgen. „Die Bundesregierung muss unter Beweis stellen, dass sie der Entwicklung der Menschenrechte in Russland die gleiche Bedeutung beimisst wie dem Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen." Die Untersuchung des Mordes sollte durch unabhängige internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen erfolgen.

Ex-Minister Hoyer wirft Putin Zynismus vor
Auch der frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer (FDP), hat die Dresdner Äußerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja scharf kritisiert. „Es ist zynisch zu sagen, was die Mörder der Journalistin angerichtet haben, sei schlimmer als das, was Frau Politkowskaja selbst angerichtet hat. Diese Bemerkung Putins ist unglaublich", sagte Hoyer dem „Münchner Merkur" (Donnerstagausgabe).
Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag mahnte zugleich zur Vorsicht im Umgang mit dem russischen Energiekonzern Gazprom: „Die deutsche Energiewirtschaft ist daran interessiert, Liefersicherheit zu haben. Auf der anderen Seite aber steht die Frage, wie weit man sich moralisch mit Gazprom einlässt. Den Einstieg dieses Konzerns ausgerechnet in westeuropäische Fußballklubs finde ich ausgesprochen geschmacklos."
Hoyer betonte, Deutschland sei an einer engen Zusammenarbeit mit Russland interessiert. Jedoch dürfe man dabei „nicht die Interessen unserer östlichen Nachbarn, vor allem der Polen und Balten, aus dem Auge verlieren".
(ddp)