Der frühere Erzbischof von Havanna, Kardinal Jaime Ortega Alamino, ist tot. Er erlag am Freitag im Alter von 82 Jahren seinem schweren Krebsleiden. Damit ist einer der einflussreichsten Kirchenführer Lateinamerikas endgültig abgetreten.
Lange Zeit gehörte Ortega zu den wichtigsten Vermittlern auf Kuba, aber auch zwischen den USA und seiner Heimatinsel.
Als Bote im Weißen Haus
In die Geschichtsbücher schaffte es Ortega, Erzbischof von 1981 bis 2016, vor allem mit einem inzwischen bereits legendären Botendienst: Papst Franziskus entschied sich 2014 für einen seiner wichtigsten Vertrauten in Lateinamerika, der nach Washington reisen sollte.
Unbemerkt von der ansonsten so aufmerksamen US-Hauptstadtpresse gelangte der Erzbischof von Havanna ins Weiße Haus. Nicht mal in den offiziellen Besuchslisten der US-Regierung tauchte der Name Ortega an diesem Tag auf.
Was er dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama übergab, hatte politischen Zündstoff: ein Schreiben des Papstes, das der Kardinal ausdrücklich nur Obama persönlich in die Hände geben sollte.
Einen ähnlichen Brief hatte Ortega in der Heimat bereits Staatspräsident Raul Castro persönlich zukommen lassen. Der Rest der Geschichte ist bekannt: Das Eis zwischen den ideologischen Todfeinden brach; beide Seiten arbeiteten fortan daran, die Beziehungen zu normalisieren. Obama wie Castro bedankten sich ausdrücklich für die Vermittlung des Papstes.
Ein Brückenbauer in Kuba
Die Episode vom prominenten "Briefträger des Papstes" unterstreicht den Stellenwert, den Ortega in dieser historischen Periode auf der kommunistisch regierten Karibikinsel genoss. Das war lange Zeit anders. Die katholische Kirche galt zuvor als Feindin der Kubanischen Revolution, war vom gesellschaftlichen Leben praktisch ausgeschlossen und als Gesprächspartnerin nicht akzeptiert.
Das änderte sich erstmals 1998 beim historischen Besuch von Papst Johannes Paul auf der Karbikinsel. Aber erst 2011 trafen sich Raul Castro und Ortega zu einem ersten öffentlichen Gespräch. Auch damals musste der Kardinal in die Rolle des Vermittlers schlüpfen.
Hilfesuchend hatten sich Familienangehörige von inhaftierten kubanischen Dissidenten an Ortega gewandt.
In schwierigen Verhandlungen erreichte er die Freilassung aller im "Schwarzen Frühling" 2003 weggesperrten pazifistischen Regimekritiker. Doch zu einem hohen Preis: Viele von ihnen wurden nach Spanien ausgeflogen. Von dort aus hatten sie fortan kaum eine Möglichkeit, sich noch in den politischen Prozess auf Kuba einzuklinken.
Schon damals gab es auch Kritik an Ortega: Er habe sich zu sehr auf die Regierungslinie eingelassen, hieß es aus dem Umfeld der geretteten, aber auch frustrierten Dissidenten. Ein Vorgeschmack nur auf das, was noch folgen sollte.
Eine Amnestie und die Bewerbungsrede des Papstes
Ein Vermittler ist Ortega bis zuletzt geblieben. Das machte ihn angreifbar. Als sich Ortega im Vorfeld des Besuchs von Papst Franziskus im September 2015 in einem Interview in unglücklicher Wortwahl über die Lage der politischen Gefangenen auf Kuba äußerte, die es gar nicht mehr gebe, reagierten einige Dissidenten entsetzt.
Exilkubaner in Miami sprachen Ortega fortan das Recht ab, weiter für die kubanische Kirche zu sprechen. Auf die Angriffe reagierte der Kardinal klug. Er stellte seine Aussagen in den richtigen Kontext und nahm seine Kritiker in die Verantwortung: indem er sie um eine Liste mit den Namen von politischen Gefangenen bat, damit er sich für sie einsetzen könne.
Anschließend gab es eine große Amnestie. Erst danach nahm Papst Franziskus im April 2016 den altersbedingten Amtsverzicht Ortegas an.
Auch in der Papstgeschichte setzte Ortega einen Akzent - als er 2013 gleich nach dem Konklave die entscheidende Bewerbungsrede veröffentlichte, die den damaligen Kardinal Jorge Mario Bergoglio zum Favoriten bei der Papstwahl machte.