Es dürfte die größte Herausforderung für die römischen Planer des Kuba-Besuchs von Papst Franziskus sein: ein Treffen mit einer Zivilgesellschaft, die es offiziell gar nicht gibt. Denn innerhalb der "kubanischen Revolution" gibt es nur eine Zivilgesellschaft - und die repräsentiert die Einheitspartei bequemerweise gleich mit. Alles, was nicht linientreu mitschwimmt, hat keinen echten Platz.
Wie schwer sich Kubas Machthaber tun, demokratische Grundrechte einer verbotenen Opposition zu respektieren, wurde am Rand des Amerika-Gipfels in Panama vor einigen Wochen deutlich. Damals reichten sich auf der großen Weltbühne die Staatsoberhäupter Raul Castro und Barack Obama die Hand. Auf den Nebenschauplätzen aber weigerte sich der Delegierte des offiziellen Kuba, mit Vertretern der Zivilgesellschaft auch nur in einem Raum zu sein. Genau diese unbequeme, "inoffizielle" Zivilgesellschaft - christliche Bewegungen, Menschenrechtsorganisationen oder verbotene Oppositionsparteien - setzt große Hoffnungen in den Besuch von Papst Franziskus (19.-22. September).
Vorgehen gegen Regimekritiker
Der katholische Intellektuelle und Regierungskritiker Dagoberto Valdes Hernandez etwa wurde nach eigenen Angaben vom kubanischen Regime zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Sein Vergehen: Gründung eines regierungskritischen Forums und Veröffentlichung eines katholischen Magazins.
Vor ein paar Tagen schrieb auch der inhaftierte Regimekritiker Osvaldo Rodriguez Acosta aus seiner Gefängniszelle in Quivican an den Papst. Er schildert darin einen nach eigenen Angaben besonderes schlimmen Fall der Sippenhaft. Ein namentlich genannter Polizeikommandant sei vor drei Jahren in sein Haus gestürmt, habe die Türe eingetreten und seine Familie attackiert. Seine Ehefrau und seine Söhne seien von der kubanischen Polizei in ihrem eigenen Haus verprügelt worden. Am Ende sei die ganze Familie von einer "politisch manipulierten" Justiz verurteilt worden: Vater und Sohn zu neun beziehungsweise sieben Jahren Haft, die Frau zu einer Art Erziehungsarbeit.
Das Gericht warf der Familie die Vorbereitung eines Attentats vor. Doch Häftling Rodriguez widerspricht: "Unser einziges Verbrechen war es, unsere Meinung öffentlich auszudrücken." In der Haft sei er gefoltert worden; auch hier nennt er die Namen seiner Peiniger. Der Brief endet mit der Bitte an den Papst, sich für die Freilassung der Familie einsetzen, denn sie habe keinerlei Verbrechen begangen.
Papst als Hoffnungsträger
Auch die Patriotische Union Kubas (UNPACU), eine offiziell nicht zugelassene Oppositionspartei, hofft auf eine direkte Einflussnahme des Papstes. In einem vom prominenten Regimekritiker Jose Daniel Ferrer Garcia unterzeichneten Brief an Franziskus heißt es, er wisse doch selbst aus seiner Zeit in der argentinischen Militärdiktatur (1976-1983), wie es sei, unter Verfolgung oder Gefängnis zu leiden; und wie es sich anfühle, wenn Menschen aus politischen Gründen einfach verschwinden.
Aufbruchstimmung
Inzwischen aber habe sich die Situation auf Kuba verändert, führt er aus; die Angst vor Unterdrückung und Verfolgung werde Stück für Stück besiegt. Die große Mehrheit der Kubaner sage nun, was sie wolle: tiefgreifenden Wandel. Franziskus könne helfen: vermitteln und der kubanischen Regierung klar machen, dass sie nicht weitermachen könne mit willkürlichen Verhaftungen und körperlicher Gewalt gegen all jene, die eine andere als die offizielle Meinung vertreten.
Tobias Käufer