Klöckner zu Agrarwende, Zucker in Lebensmitteln und Ostern

"Kükenschreddern ist ethisch nicht vertretbar"

Ist das Schreddern von männlichen Küken ethisch vertretbar? Dürfen wir Tiere züchten und verzehren? Agrarministerin Julia Klöckner beruft sich auf unsere Schöpfungsverantwortung und fordert zu Ostern Respekt vor unseren Mitgeschöpfen.

Autor/in:
Christoph Scholz
Ein männliches Küken (dpa)
Ein männliches Küken / ( dpa )

Vor ihrem Start als Bundeslandwirtschaftsministerin gab es Vorschusslorbeeren für Julia Klöckner. Die CDU-Politikerin kommt aus einer Winzerfamilie im Naheland. Das Ressort und Klöckner schienen zueinander zu passen. In der Zwischenzeit musste sich die Ministerin immer wieder Kritik von unterschiedlichsten Seiten stellen.

Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagt die 46-Jährige, warum ihr die Arbeit trotzdem Spaß macht. Und wie sie Gesellschaft und Landwirtschaft miteinander versöhnen will.

KNA: Frau Klöckner, die Kirchen sprechen mit Blick auf das Verhältnis vom Menschen und Umwelt auch von "Bewahrung der Schöpfung". Aus christlicher Sicht ist die Natur niemals nur Ressource. Spielt das im politischen Tagesgeschäft noch eine Rolle?

Julia Klöckner: Nach dem christlichen Verständnis ist die Natur den Menschen überantwortet, damit sie sie nutzten und bewahren. Diese Verantwortung besonders mit Blick auf kommende Generationen spielt auch für mich in meiner Funktion als Bundesministerin eine entscheidende Rolle. Denn wenn es um die Bewahrung der Schöpfung geht, geht es vor allem auch um unsere Landwirte, die nachhaltig, aufwendig und mit viel Herzblut unsere Mittel zum Leben herstellen, unsere Kulturlandschaft pflegen und erhalten.

Es geht aber ebenso um Ernährung, um das, was wir als Verbraucher beitragen können: bewusst leben, regional und saisonal einkaufen, nicht verschwenderisch handeln. Und Respekt haben vor den Tieren. Sie sind unsere Mitgeschöpfe, keine Wegwerfware.

KNA: Dennoch züchten und verzehren wir Tiere in großen Mengen...

Klöckner: Tierhaltung ist Teil unserer Gesellschaft und unserer Kultur. Gerade deshalb gilt es, ethische Maßstäbe einzuhalten - von der Haltung über den Transport bis zur Schlachtung.

KNA: Wie sieht es mit dem Schreddern männlicher Küken aus? Die Universität Leipzig hat ein Verfahren entwickelt, um dies zu verhindern. Wann wird es implementiert?

Klöckner: Das Kükenschreddern ist ethisch nicht vertretbar, muss so schnell wie möglich beendet werden. Mein Ministerium hat besagte Forschung der Universität Leipzig daher mit fünf Millionen Euro gefördert.

Der Durchbruch ist gelungen, das Verfahren zur Geschlechterbestimmung im Ei ist auf dem Weg zur Serienreife. Männliche Küken werden dann gar nicht erst ausgebrütet. Im kommenden Jahr steht die Methode allgemein zur Verfügung. Dann greift das Tierschutzgesetz, das das Schreddern verbietet. Damit sind wir Vorreiter in Europa und weltweit.

KNA: Müssen wir aus Sicht des "C" einen anderen Umgang mit der Natur und der Schöpfung lernen?

Klöckner: Jede Generation muss den Umgang für sich festigen, was auch von den Umständen abhängt: In Zeiten des Mangels gestaltet er sich anders als in Zeiten von Überfluss. Wir leben in einer Zeit, in der es einen Dürresommer mit vielen leeren Feldern gegeben hat und die Supermarktregale dennoch voll sind. Derzeit müssen wir vor allem das Problem der Lebensmittelverschwendung eindämmen - elf Millionen Tonnen werfen wir im Jahr weg. Der Umgang ist aber immer eine Abwägung.

KNA: Nach welchen Maßstäben?

Klöckner: Für uns ist es das christliche Verständnis des Menschen und der Schöpfung. Aber hier müssen ebenso immer neue Antworten auf neue Fragen gefunden werden. Wie sehen das ja gerade im Umgang mit dem Menschen selbst und den ethischen Herausforderungen.

KNA: Hilfswerke wie Misereor und Brot für die Welt fordern eine Agrarwende: Weniger Subventionen für industrielle Großbetriebe und mehr Mittel für eine kleinere, umweltfreundliche Landwirtschaft. Wie sehen Sie das?

Klöckner: Ich trete ein für eine flächendeckende, familiengeführte, wirtschaftlich tragfähige und gesellschaftlich akzeptierte Landwirtschaft. Das gilt unabhängig von der Betriebsgröße. Die entscheidende Frage ist doch: Wie bewirtschaftet der Landwirt seinen Betrieb, wie geht er mit Tieren oder der Umwelt um? Es gibt kleine Betriebe, die nicht ordentlich arbeiten und große, die vorbildlich geführt werden - und umgekehrt.

KNA: Die Debatte wir auch außerhalb der deutschen Grenzen geführt.

Klöckner: Auf europäischer Ebene diskutieren wir aktuell, wie die Landwirtschaft mehr Umweltleistungen erbringen kann, und wie das praktikabel, umsetzbar und lohnend ist für unsere Landwirtsfamilien.

Auch die Digitalisierung hilft ihnen, gleichzeitig effektiver und ressourcenschonender zu arbeiten. Die Richtung stimmt also, weshalb sich die Frage stellt, wohin die geforderte Agrarwende gehen soll - zurück in Zeiten dunkler Ställe? Sicher nicht!

KNA: Beim Kampf gegen Lebensmittelverschwendung oder Überzuckerung setzen Sie auf Freiwilligkeit. Reicht das angesichts der Marktkräfte aus? Hat der Staat nicht eine Fürsorgepflicht mit Blick auf die Folgen früher Fettleibigkeit oder Diabetes?

Klöckner: Ein Gesetz ist kein Selbstzweck. Wesentliches Kriterium ist doch, ob Maßnahmen erfolgreich sind, das Ziel erreicht wird. Schauen wir also auf unsere Reduktionsstrategie: Mit der Wirtschaft ist unter anderem verbindlich vereinbart, den Zuckergehalt in Frühstückscerealien um 20 Prozent, den in Erfrischungsgetränken um 15 Prozent zu senken.

Die Rechnung dürfen wir aber nicht ohne den Verbraucher machen. Der Geschmack muss sich mit entwickeln. Einfach weglassen kann man Inhaltsstoffe nicht. Da geht es auch um Konsistenz oder Haltbarkeit. Gesetzlich handeln werde ich bei Babytees, den Zusatz von Zucker hier verbieten - Säuglinge brauchen das nicht.

KNA: Als Bundeslandwirtschaftsministerin stehen Sie immer wieder zwischen unterschiedlichen Interessengruppen und sind teilweise harter Kritik ausgesetzt. Macht die Arbeit noch Freude?

Klöckner: Landwirtschaft und Gesellschaft will ich versöhnen, beiden Seiten mache ich deutlich, dass sie sich aufeinander zubewegen müssen. Es gibt nicht nur schwarz oder weiß, leider werden viele Debatten aber so geführt. Der Kompromiss scheint aus der Mode gekommen. Für mich ist er aber ein Kernelement unserer Demokratie.

Wir kommen als Gesellschaft nicht voran, wenn alle auf ihren 100-Prozent-Forderungen beharren. Mir geht es darum, Ausgleich zu schaffen. Das mag mühsam sein, macht nach wie vor aber Freude - ohne die geht es auch nicht.

KNA: Sie sind studierte Theologin und Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Welche Bedeutung hat Ostern für Sie persönlich?

Klöckner: Ostern ist eines der wichtigsten kirchlichen Feste, das nicht zufällig im Frühjahr gefeiert wird. Es ist verbunden mit Aufbruch, Auferstehung. Ostern bedeutet für mich auch zur Ruhe kommen, innehalten. Es ist die ermutigende Botschaft unseres Glaubens, dass unser Leben erlöst und in Gottes Hand ist.

KNA: Wir werden Sie die Feiertage begehen?

Klöckner: Ostern ist ein Grund zum Feiern. Die Osternachtsfeier ein Ritual - und das erste Glas Wein nach der Fastenzeit auch (lacht).

KNA: Was empfiehlt die Winzertochter und ehemalige Weinkönigin zum Fest?

Klöckner: Grauer Burgunder geht immer, gerade zu dieser Jahreszeit...

KNA: Und das passt auch zum Osterlamm?

Klöckner: Es kommt immer auf die Zubereitung an. Im Übrigen bin ich ein Fan des gebackenen Osterlamms, wir haben noch eine alte Gusseisenform unserer Oma. Tradition ist auch ein Stück Heimat.

 

Julia Klöckner, Bundeslandwirtschaftsministerin / © Andreas Arnold (dpa)
Julia Klöckner, Bundeslandwirtschaftsministerin / © Andreas Arnold ( dpa )
Quelle:
KNA