Das muss man erst einmal können: selbständig ein anspruchsvolles Chorwerk mit Orchester einstudieren und es dann mutig und selbstbewusst vor großem Publikum im Kölner Dom aufführen. Zumal wenn man gerade erst 24 Jahre alt ist und das Requiem von Luigi Cherubini – immerhin keine leichte Sache – auf dem Programm steht.
Patrick Cellnik, bis Sommer Assistent von Domkapellmeister Eberhard Metternich, hatte sich dieses Werk gezielt ausgesucht und die damit verbundene musikalische Herausforderung mit Bravour gemeistert. Das wurde ihm nach dem Konzert Anfang Juni jedenfalls von allen Seiten bescheinigt. Und es floss auch in die Abschlussbewertung mit ein, die seine Ausbilder an der Kölner Hochschule für Musik und Tanz abzugeben hatten.
Mittlerweile hat Cellnik als Absolvent der katholischen Kirchenmusik und Gesangspädagogik eine Kantorenstelle in der Kölner Innenstadtkirche St. Aposteln übernommen und ist damit jünger als alle seine Vorgänger zum Zeitpunkt ihrer Bewerbung. Seine künstlerische Expertise sei ausschlaggebend gewesen, heißt es.
Dommusik als Sprungbrett
Wie Cellnik haben schon einige der ehemaligen Assistenten von Metternich und seinem Stellvertreter, Domkantor Oliver Sperling, die Dommusik als Sprungbrett nutzen können. Judith Kunz, bis 2005 drei Jahre Assistentin beim Kölner Domchor, ist heute Domchordirektorin in Limburg, nachdem sie zuvor Domkantorin am Kiliansdom in Würzburg war.
Alexander Schmitt, zwischen 2007 und 2008 in der Dommusik tätig, ist jüngst zum Leiter des MDR-Kinderchores Leipzig ernannt worden – auch das eine in Chorleiterkreisen eher herausragende Position mit Reputation. Joachim Weller wechselte mit nur 26 Jahren an die Spitze der Kirchenmusik im Bistum Speyer, um dort die Aufgabe des Domkantors zu übernehmen. Und Julia Arling, von 2011 bis 2013 Assistentin bei Sperling, ist bald nach ihrer Kölner Zeit Domkantorin an der Kathedralkirche in Osnabrück geworden.
Stefan Klösges, der zwischen 2012 und 2014 als Assistent für den Kölner Domchor tätig war, hat sich inzwischen neben seiner freiberuflichen Tätigkeit als Kirchenmusiker ein Standbein als Musikwissenschaftler geschaffen und sich zudem mit seiner herausragenden Forschungsarbeit unter der Überschrift "In aeternum cantabo" anlässlich des 150-jährigen Jubiläums des Domchores einen Namen gemacht.
Und Martin Meyer, der in diesem März sein 10-Jähriges als musikalischer Mitarbeiter bei der Dommusik beging – zunächst arbeitete er vier Jahre als Assistent des Domchores und danach noch bis vor kurzem freiberuflich für das Vokalensemble Kölner Dom – ist seit dem 1. November Chorleiter beim Staats- und Domchor Berlin. Auch dieser Wechsel vom Rhein an die Spree kann durchaus als erfolgreicher Karrieresprung gewertet werden.
Musikmachen auf hohem Niveau
Aber selbst für manche Assistentin des Mädchenchores, die heute als Musiklehrerin arbeitet, wie beispielsweise Kathrin Schmitt an der Erzbischöflichen Liebfrauenschule in Köln, hat sich im Nachhinein das handwerkliche Rüstzeug, das sie während ihrer Ausbildung am Dom erwerben konnte, als wichtiges Fundament für ihre pädagogische Laufbahn herausgestellt. Wer in die Auswahl für eine Assistentenstelle bei der Dommusik kommt, lerne hier Musikmachen auf hohem Niveau kennen, erklärt Metternich.
Bereits seit den 90er Jahren bietet der Lehrbeauftragte für Chorleitung an der Kölner Musikhochschule jungen Menschen in der Übergangsphase vom Studium zum Beruf eine solche zusätzliche Qualifizierung an, die schnell zur Bewährungsprobe werden kann. Denn jeder Berufspraktikant, der hier unter Vertrag genommen wird, sieht sich mit einem speziellen Anforderungsprofil und hohen Erwartungen konfrontiert. Hinzu kommt, dass er unter ständiger Beobachtung einer großen Öffentlichkeit steht; schließlich überträgt DOMRADIO.DE jeden liturgischen Auftritt der Domchöre live.
Bei dem Auswahlverfahren schauen beide Chorleiter – Metternich wie Sperling – vor allem darauf, welche Kompetenz die Bewerberin oder der Bewerber bei der Stimmbildung mit den Kindern und Jugendlichen mitbringt, wie sich der persönliche Kontakt zu den jungen Sängern gestaltet und ob jemand das Potenzial hat, dem musikalischen Selbstverständnis der Dommusik standzuhalten. Dazu werden vorab Proben angesetzt, bei denen die Anwärter auf eine solche Stelle, die bundesweit ausgeschrieben wird, mit der Einstudierung bekannter, aber auch gänzlich neuer Stücke ihre Eignung unter Beweis stellen müssen.
Dabei ist die Stimmbildung – die Förderung und Weiterentwicklung der Stimme – für Metternich das A und O. "Je besser die Knaben ausgebildet sind, desto länger können sie mit ihrer im Stimmwechsel befindlichen Stimme umgehen. Und das wiederum kommt dem Chor zugute, wenn sich die Jungen nicht allzu früh in den Stimmbruch verabschieden müssen." Vergleichbares gilt für die Mädchen. Eine individuell geförderte Stimme hebt die Gesamtqualität des Chores, wofür speziell Sperling und sein Ensemble bei Wettbewerben immer wieder ausgezeichnet werden.
Schulung im pädagogischen Umgang
Auch im pädagogischen Umgang mit den Heranwachsenden würden die engen Mitarbeiter der Chorleiter geschult, so Metternich. Und dann geht es bei dieser Ausbildung auch noch um das Eigentliche: eine vielstimmige Motette mit rund 100 Kindern – und etwa 50 Erwachsenen – unter Umständen innerhalb nur einer Woche einzuüben. "Und mit einem Schwierigkeitsgrad, den ein Gemeindechor in der Regel so schnell nicht bewältigt", betont Metternich.
Die Messlatte für eine Mitarbeit in der Dommusik liegt dementsprechend hoch, dafür aber profitieren die Assistenten auch von dem bestehenden Qualitätsanspruch: Beispielsweise kommen sie regelmäßig in Kontakt mit professionellen Instrumentalensembles wie dem Gürzenich-Orchester Köln – auch in der Oper und Philharmonie – dem Kölner Kammerorchester oder Concerto Köln.
Zudem besteht die Aussicht, auch einmal selbst ein großes Werk eigenverantwortlich dirigieren zu können. Sie gehen mit auf Konzertreisen ins In- und Ausland und sind Teil eines Teams von Musikern und Pädagogen. "Wer Einblick in die Strukturen von liturgischer Musik an einer Kathedralkirche wie dem Kölner Dom erhält und hier allmählich hineinwächst, durchläuft eine Schule, die die meisten für Höheres qualifiziert", sagt Metternich nicht ohne Stolz und freut sich über so manche musikalische Karriere, die ihren Ursprung am Kölner Dom hatte. "Besonders dankbar macht mich zu erleben, wenn jemand die Berufung verspürt, mit Kindern und Jugendliche zu arbeiten. Denn gerade Kinder und Jugendliche mit dem reichen Schatz unserer Musiktradition und -kultur vertraut zu machen und sie in ihrer persönlichen Entwicklung zu fördern und zu begleiten ist eine wertvolle und auch bereichernde Aufgabe."
Der erste Assistent Metternichs war übrigens Oliver Sperling, mit dem der Dommusik-Leiter 1991 gemeinsam den Mädchenchor am Kölner Dom aufbaute und den er dann fünf Jahre später mit der alleinigen Verantwortung für dieses Ensemble betraute. Über ihn sagt Metternich: "Er kam damals als Spezialist für Gregorianik, war selbst einst Essener Domsingknabe gewesen – wusste also mit Kindern umzugehen – und brachte überhaupt eine breite Palette an Kompetenzen mit. Bis heute ein Sechser im Lotto und daher ein richtiger Glücksfall für die Kölner Dommusik!"