Pater Langendörfer zu 30 Jahren kirchlicher Einheit

"Kulturelle Unterschiede leben fort"

Nicht nur BRD und DDR sind am 3. Oktober 1990 zusammengewachsen, sondern auch die "Deutsche Bischofskonferenz" und die "Berliner Bischofskonferenz". Reibungspunkte gab es damals, wie auch heute noch.

Stand der Deutschen Einheit: Aufschwung, aber noch Unterschiede / © Michael Reichel (dpa)
Stand der Deutschen Einheit: Aufschwung, aber noch Unterschiede / © Michael Reichel ( dpa )

DOMRADIO.DE: Ende der 80er-Jahre haben Sie als Mitarbeiter im Bundeskanzleramt gearbeitet, in der Wendezeit für die Jesuiten in Bonn. Seit 1996 sind Sie Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz. Wie haben Sie die Zeit um den 3. Oktober 1990 erlebt?

Hans Langendörfer SJ (Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz): Das war eine ungemein spannungsvolle Zeit mit großen bis übergroßen Erwartungen. Wir in der katholischen Kirche haben viele Fragen gehabt: Wie soll das werden? Wie kommen Ost und West zusammen? Sie müssen wissen, dass es im Jahr 1990, wenige Tage vor der staatlichen Einheit, ein erstes Treffen der Bischöfe, der Berliner Bischofskonferenz und der Deutschen Bischofskonferenz, gegeben hat. Das war in Augsburg. Da war ich natürlich nicht dabei, aber habe mir vielfach erzählen lassen, dass man sich da auch erst mal sehr vorsichtig angenähert hat und geguckt hat, wie das alles werden solle.

Von den östlichen Teilnehmern habe ich hinterher oft gehört, dass man doch etwas erstaunt gewesen ist über diese Art und Weise des Umgangs der West-Bischöfe miteinander. Da war eine kleine Gruppe dazugekommen, die fühlte sich, wenn ich das richtig sehe, noch gar nicht so richtig wohl. Und das war alles ganz wenige Tage vor der Einheit.

DOMRADIO.DE: Was heißt das, "die fühlten sich noch nicht wohl"? Gab es da Unterschiede im Umgang miteinander?

Langendörfer: Das ist ja bis heute so, dass der Katholizismus in den neuen Bundesländern durch die Entwicklung nach dem Krieg auch durch die Diaspora-Situation geprägt wird. Es waren auch viele aus Schlesien dahin gekommen und haben den ostdeutschen Katholizismus geprägt. Das waren dann doch noch etwas andere Mentalitäten und auch Erfahrungen als in Bayern oder hier im Rheinland. Da war eine große Verbindung der Gläubigen zu den Bischöfen da, auch eine andere Kultur des Umgangs zwischen Geistlichen und Gläubigen als hier in Westdeutschland mit den starken katholischen Gebieten.

Eine Bischofskonferenz, gut strukturiert, geleitet mit vielen Vorlagen, wie das ja auch heute noch der Fall ist. Das war, glaube ich, nicht so die Erfahrung dieser kleinen Gruppe gewesen, die die Berliner Bischofskonferenz darstellte, die dann in Ost-Berlin zumeist zusammengetroffen ist. Das hatte dann mehr so einen Charakter, wenn ich das richtig verstanden habe, eines Konveniats, eines kleinen Bischofstreffens.

DOMRADIO.DE: Gibt es denn Reibungsprobleme, wenn zwei so verschiedene Systeme aufeinandertreffen?

Langendörfer: Ja, das ist wohl klar der Fall. Diese beiden Mentalitäten führen zu anderen Sprach-Typen. Um ein Beispiel zu geben: Der westliche Katholik ist zu forscher Sprache oder zu Forderungen eher geneigt als die Katholiken in den neuen Bundesländern. Die hatten eine große Gemeinsamkeit mit der Kirche empfunden. Man war im Widerstand gegen das kommunistische System gewesen, da formuliert man anders, da fühlt man sich enger verbunden, da tritt nicht so sehr das jeweilige Eigenprofil in den Vordergrund.

Auf der Ebene der Bischofskonferenz waren eben zunächst einmal auch eine ganze Reihe starker Ost-Bischöfe da. Ich nenne mal Bischof Wanke als prägende Persönlichkeit in der Deutschen Bischofskonferenz, der aus Erfurt kam, oder auch Kardinal Sterzinsky, der ein Ostpreuße gewesen ist und das Erzbistum Berlin mit aus der Taufe gehoben hat und geführt hat. Das sind Stimmen gewesen, die sich den anderen gegenüber immer wieder auch mahnend geäußert haben: Mensch, sind wir nicht hier ein bisschen zu überorganisiert? Wie bleibt es eigentlich mit dem direkten Kontakt zu den Menschen? Wenn ich das beurteilen darf, waren solche Mahnungen manchmal nicht ganz realistisch, aber manchmal haben sie sehr gutgetan.

DOMRADIO.DE: Heute ist es immer noch eher eine Ausnahme, wenn ein Ost-Bischof in den Westen geht, oder umgekehrt. Müsste das noch mehr zusammenwachsen, oder spielt die Herkunft keine solche Rolle mehr?

Langendörfer: Ich glaube, dass diese kulturellen Unterschiede, die Unterschiede im Reden und vielleicht im Denken, schon noch irgendwie fortleben. Aber es ist doch auch wirklich so, dass die jetzigen Bischöfe, die aus Westdeutschland kommen, wenn man das überhaupt noch so sagen will, und eines der Bistümer leiten in der Region Ost, die sind so empathisch. Gucken Sie auf Bischof Timmerevers, der ganz präsent ist in der sächsischen Landschaft, auch in der politischen Landschaft mit hoher Sensibilität die Entwicklungen verfolgt und in der Bischofskonferenz auch zur Geltung bringt, sodass auf dieser Ebene des höheren Klerus der Bischöfe meines Erachtens ein sehr faires Zusammenkommen stattgefunden hat. Inwieweit das in den Gemeinden noch anders ist oder vielleicht auch anders bleiben sollte, das weiß ich nicht so ganz.

Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.


Hans Langendörfer / © Julia Steinbrecht (KNA)
Hans Langendörfer / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR