Lust auf eine Museumstour im Corona-Risikogebiet? Was absonderlich klingen mag, ist in der Ewigen Stadt nach monatelangem Lockdown möglich. Zu verdanken ist das einem Beschluss der italienischen Regierung. Der sieht vor, dass Museen und Ausstellungen in sogenannten gelben Zonen mit geringerer Ansteckungsrate öffnen dürfen. Latium mit der Hauptstadt Rom fällt seit Montag in diese privilegierte Kategorie.
Das kommt auch den Vatikanischen Museen zugute. Nach 88 Tagen Zwangspause ist die zweite Corona-Schließung vorbei. Direktorin Barbara Jatta verkündet zum Neustart: "Es war eine harte Zeit, aber jetzt haben wir Grund zum Feiern." Ihre Mission sei es schließlich, die weltberühmten päpstlichen Sammlungen nicht nur zu bewahren, sondern mit der Öffentlichkeit zu teilen. "Der Besuch bei uns ist sicher", betont die 58-jährige Italienerin.
Weit und breit kein anderer Besucher
Aber stimmt das? Ein persönlicher Praxistest soll Klarheit verschaffen. In der Tat sind die Vorkehrungen beachtlich, die Jatta und ihr Team getroffen haben. Fieberdetektor, Desinfektionsmittelspender, Maskenpflicht, Abstandsgebot - all das soll virenfreie Stunden in den Ausstellungsräumen garantieren. Hinzu kommt eine obligatorische Online-Reservierung, um plötzliches Gedränge zu vermeiden.
Wo sonst Menschenmassen am Eingang Schlange stehen, wartet nun lediglich ein einsamer Wärter auf Gäste. Nach einem flüchtigen Blick auf das gebuchte Ticket heißt es: "Prego, und viel Vergnügen." Mehrere mit Sperrgittern abgetrennte Wege führen ins Gebäude. Welchen man wählt, spielt keine Rolle. Weit und breit ist kein anderer Besucher zu sehen. Ein gelbes Warnschild mit der Aufschrift "Warten Sie, bis Sie an der Reihe sind" wirkt unfreiwillig komisch.
Menschenleeres Museum
Im Inneren wird die Atmosphäre surreal. Der touristische Bienenstock, den normalerweise täglich 20.000 Menschen besuchen, ist wie ausgestorben. Niemand hier - kann das sein? Die Suche nach einem Ansprechpartner in der Abteilung für ägyptische Altertümer verläuft erfolglos. Nur der Hall der eigenen Schritte auf dem reich verzierten Steinboden ist zu hören. Dann, endlich: Im Cafe des Innenhofs sitzt an einem der Tische eine Frau. Charlotte Renoir ist Studentin aus Frankreich. Was sie in die Vatikanischen Museen führt? "Die Restriktionen in meiner Heimat sind viel härter als in Italien", klagt die 20-Jährige bei einem Cappuccino. Sie nutze die Gelegenheit, um in Ruhe Roms Kunstschätze zu genießen.
Überhaupt sind die wenigen Personen, die beim Rundgang anzutreffen sind, durchweg jüngeren Alters. So wie die Schauspielerin Martina Catalfamo. Sie will unbedingt die Sixtinische Kapelle aus nächster Nähe sehen. "Das ist eine einzigartige Chance", sagt die 27-jährige Sizilianerin. Die Corona-Pandemie habe die Filmbranche hart getroffen. Nach monatelanger Tristesse verspüre sie "einen Hunger nach Leben". Wenn wenigstens die Museen wieder geöffnet seien, müsse man das einfach nutzen. Angst vor Ansteckung habe sie nicht.
Kein großes Infektionsrisiko
Grund zu übermäßiger Corona-Besorgnis besteht wirklich nicht. Selbst die Sixtinische Kapelle ist fast leer. Unter Michelangelos Weltenrichter stehen zur Mittagszeit zwei gelangweilte Aufseher. Sie unterhalten sich darüber, was es in der nahenden Pause zu essen gibt. Einen kleinen Jungen, der mit seinem Vater Fangen spielt, beachten sie nicht weiter.
Einen völlig geistesabwesenden Eindruck macht ein Priester in einem der Nebenräume. Vor dem winzigen Holztisch, an dem er mit seiner Bibel sitzt, ist ein Hinweisschild angebracht. "Kunst und Glaube - ein Priester für Sie", ist dort zu lesen. Weil aber keine Passanten zum Plaudern vorbeikommen, vertreibt er sich die Zeit notgedrungen mit Handy-Games.
Die Direktorin hat nicht zu viel versprochen: Von einem ernsthaften Infektionsrisiko in der weitläufigen Anlage kann unter solchen Umständen keine Rede sein. Stattdessen könnten sich ernste finanzielle Schwierigkeiten ergeben, sollte das Besucherinteresse weiter derart gering ausfallen.
Vor der Pandemie trugen die Einnahmen aus Ticketverkäufen mit monatlich zweistelligen Millionenbeträgen wesentlich zur Finanzierung des Vatikan bei. Wann und ob dieses Niveau wieder erreicht wird, ist offen. Sicher ist indes: Anders als italienische Häuser bekommen die Vatikanischen Museen keinerlei staatliche Hilfsgelder. "Nein, da gibt es absolut nichts", sagt Jatta. "Von daher ist das ein Problem."