Der Bischofskonferenz-Vorsitzende Robert Zollitsch hat Kurienerzbischof Georg Gänswein eingeladen, am Fest Mariä Himmelfahrt im Freiburger Münster die Predigt zu halten und das Echo ist gewaltig. Im dem gotischen Gotteshaus sind schon eine halbe Stunde vor Beginn der Messe alle Sitzplätze belegt, viele Menschen stehen, auch die Gänge sind überfüllt. Mühsam bahnen sich 20 Messdiener, das Domkapitel und die Bischöfe einen Weg zum Altar. Kurz davor richten sich rund ein halbes Dutzend Foto- und Kameraobjektive auf Gänswein, Zollitsch und die anderen. Doch nicht nur die Medien am Oberrhein widmen dem Besuch viel Raum.
Überschriften wie "'Dornenvogel' Gänswein könnte Meisner ablösen" belegen, wie schmal der Grat zwischen einem berechtigtem Interesse an Information und einem gähnenden Sommerloch ist. Landauf, landab wird thematisiert, ob wohl Gänswein der nächste Erzbischof von Köln oder Freiburg werden könnte. Begünstigt wurden die Wechselgerüchte zuletzt durch Papst Franziskus. Er sagte, dass er selbst entscheide, wen er sehen wolle und dass er sich seine Agenda nicht von Sekretären diktieren lassen wolle. Deren Vorrechte hätten die Päpste oft zu "Gefangenen" gemacht.
Worte, die Spekulationen über das Verhältnis zwischen dem Papst aus Buenos Aires und dem Erzbischof aus dem Schwarzwald ins Kraut schießen lassen. Und immer wieder wird, vor allem in der Regenbogenpresse, Gänsweins Aussehen angesprochen, etwa wenn der Geistliche das Cover des Lifestyle-Magazins "Vanity Fair" schmückt. "Pater Georg - Schön sein ist keine Sünde" titelte zu Jahresbeginn die italienische Ausgabe.
Gänswein räumt mit Gerüchten auf
Was über der Aufregung fast verloren geht: Zollitsch, nicht Gänswein, steht dem Gottesdienst vor, dem Domchor, Domkapelle und Mitglieder des Philharmonischen Orchesters musikalischen Glanz verleihen. In seiner Predigt geht Gänswein ausschließlich auf die katholische Lehre von der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel ein und versucht, sie ins Heute zu übersetzen. Eine Stunde später, beim Empfang der Stadt Freiburg für den Kurienerzbischof, geht er dann offensiv auf die Gerüchte ein: Es sei falsch, dass die Chemie zwischen ihm und Papst Franziskus nicht stimme. Wörtlich sagt er: "Alles Kokolores. Das Verhältnis ist ausgezeichnet." Er wohne beim emeritierten Papst Benedikt XVI. und arbeite für Franziskus. In dieser "Brückenfunktion" sieht er sich nach eigenem Bekunden auch in Zukunft.
Der Erzbischof will die medialen "Spekulationen Spekulationen sein lassen und der Presse diesen Leckerbissen nicht nehmen". Im Gespräch räumt Gänswein aber ein, dass ihm die Berichterstattung über seine Person "manchmal schon auf die Nerven geht". Seit 1995 arbeitet er im Vatikan. Ein Jahr später wechselte Gänswein zur Römischen Glaubenskongregation, deren damaliger Präfekt Kardinal Joseph Ratzinger ihn 2003 zum Privatsekretär berief. Nachdem Ratzinger 2005 zum Papst gewählt wurde, behielt er Gänswein als Privatsekretär. Im Dezember 2012 ernannte ihn Benedikt XVI. zum Erzbischof und Präfekten des Päpstlichen Hauses.
Heute ist der 57-jährige Schwarzwälder engster Vertrauter des emeritierten Papstes und als Hauspräfekt eine Art Protokollchef mit zusätzlichen Vollmachten. In der jetzigen Frühphase des Franziskus-Pontifikats ist er damit einer der einflussreichsten Männer im Vatikan. Trotzdem sagt der Mann, der seit fast zwei Jahrzehnten in Rom lebt, Freiburg sei seine Heimat. Und wer seine Wurzeln kappe, kappe das Leben.