Von den Kardinälen, die im Vatikan eine Behörde leiten, ist der Kurt Koch der letzte, der noch von Papst Benedikt XVI. ernannt wurde.

Und seit Papst Franziskus den deutschen Kardinal Gerhard Ludwig Müller im Jahr 2017 nicht erneut im Amt als Präfekt der Glaubenskongregation bestätigt hat, ist der Schweizer der letzte deutschsprachige Kardinalpräfekt an der römischen Kurie. Am 15. März wird er 75 Jahre alt.
Dass der Papst aus Argentinien Kochs Leitungsposten anders als den von Müller ohne viel Aufhebens schon zweimal verlängert hat, liegt nicht etwa daran, dass Koch in theologischen Fragen liberaler wäre als sein deutscher Kollege. Wer wissen will, wie Koch denkt, sollte seine Kritik an den theologischen Grundlagen des Synodalen Reform-Wegs in Deutschland von 2022 lesen.
Als die liberalen Deutschen "Sonstige Erkenntnisquellen" - wie die modernen Wissenschaften neben der christlichen Offenbarung und der kirchlichen Tradition - als Grundlage für Glaubenswahrheiten geltend machen wollten, verglich Koch das mit der Denkweise der "Deutschen Christen" unseligen Angedenkens. Später entschuldigte er sich wegen möglicher Missverständnisse, die dieser Vergleich ausgelöst hatte.
Sanfte Töne und klar in der Sache
Unter konservativen Katholiken im deutschen Sprachraum ist der einstige Bischof von Basel ein gerngesehener Gast und Prediger. Als Kardinal hat er das Privileg, auch ohne Genehmigung des jeweiligen Ortsbischofs in jedem Bistum Gottesdienst feiern zu dürfen, und er macht immer wieder davon Gebrauch. Er nutzt diese Gelegenheiten mitunter, um die überlieferte katholische Lehre zu verteidigen und vor Verirrungen zu warnen. Doch tut er dies in der Regel weniger polternd und polemisch als andere Konservative. Fast immer verbindet er Klarheit in der Sache mit sanften Tönen in der Rede.
Doch das ist nicht der einzige Grund, warum Papst Franziskus länger an ihm festgehalten hat als an jedem anderen Kurienpräfekten. Der Schweizer Koch ist mit seiner theologischen Expertise und seinem weit verzweigten Netz aus Dialogpartnern in anderen christlichen Kirchen und Konfessionen sowie im Judentum eine sichere Bank für den Papst.

Und Franziskus weiß, dass er selbst in theologischen Fragen, die das Verhältnis zu anderen Kirchen berühren, nicht der Sorgfältigste ist. Allzu Überschwängliches oder Undiplomatisches in Richtung anderer Kirchen aus dem frei sprechenden Mund des Papstes muss dann Kardinal Koch nachträglich wieder vorsichtig zurechtrücken. Manchmal gelingt ihm das trotz aller Mühen nicht. So etwa in den Monaten nach dem Hamas-Überfall auf Israel vom 7. Oktober 2023, als der Papst aus Sicht vieler Juden etwas zu einseitig Partei für die Palästinenser ergriff. Der religiöse Dialog der katholischen Kirche mit dem Judentum - auch der fällt in Kochs Zuständigkeit - kam daraufhin fast vollständig zum Erliegen, und auch der geduldige Schweizer Kardinal konnte das nicht reparieren.
Nun hofft er auf das 60-jährige Jubiläum der Konzils-Erklärung "Nostra aetate" im Oktober. In dem Dokument hatte die katholische Kirche 1965 ihr Verhältnis zum Judentum auf einen neue, respektvolle Grundlage gestellt. Daran will Koch anknüpfen und den Dialog neu beleben.
Theologisches Feingespür gefragt
Auch bei einem anderen Jubiläum dieses Jahres ist das gesamte kirchendiplomatische Geschick und theologische Feingespür des päpstlichen Ökumene-Ministers gefordert. Im Mai wollen die christlichen Kirchen aus Ost und West gemeinsam dem Konzil von Nizäa gedenken, das vor genau 1.700 Jahren getagt hat.
Das damals formulierte Glaubensbekenntnis ist bis heute die gemeinsame Grundlage fast aller christlichen Kirchen weltweit. Diesen Anlass zu nutzen, um die Einheit der Christen trotz ihrer Aufspaltung in unterschiedlichste Kirchen und Bekenntnisse voranzubringen, ist keine leichte Aufgabe - zumal die Kirchen derzeit gerade in moraltheologischen und anthropologischen Fragen weiter auseinanderliegen als je zuvor.

Hinzu kommt die anhaltende Debatte um das Osterdatum, das wegen unterschiedlicher Kalendersysteme in Ost und West nur selten auf denselben Tag fällt. Papst Franziskus wäre bereit, in dieser Frage den östlichen Kirchen in einer spektakulären Einheitsgeste entgegenzukommen - doch Kardinal Koch will verhindern, dass dadurch die protestantischen Brüder und Schwestern vor den Kopf gestoßen werden. Denn die meisten von ihnen wollen am "westlichen" Osterdatum festhalten.
Kochs Herzensanliegen ist aber ein anderer Dauerbrenner der Ökumene: Er will die bereits von Papst Johannes Paul II. vor 30 Jahren mit der Enzyklika "Ut unum sint" angestoßene Reform des Papstamts endlich voranbringen.
In der auch in anderen Kirchen viel beachteten Bestandsaufnahme mit dem Titel "Der Bischof von Rom" hat er dargelegt, dass schon heute eine Form des päpstlichen Primats möglich ist, die als ein "Dienstamt der Einheit" auch für viele andere christlichen Kirchen und Gemeinschaften akzeptabel wäre. Und da Franziskus sein Amt schon immer als das des "Bischofs von Rom" begreift, ziehen der Papst aus Argentinien und der Kardinal aus der Schweiz bei diesem wichtigen Vorhaben an einem Strang.