Lage auf Haiti ist nach den Wirbelstürmen dramatisch

"Auf ewig verdammt"

Von enormen Wassermassen immer noch eingeschlossen, hoffen unzählige Menschen auf Haiti Menschen auf Hilfe. Die Vereinten Nationen gehen von 800.000 Hilfsbedürftigen auf der Insel aus, die in den vergangenen Tagen und Wochen von Hurrikanen heimgesucht und verwüstet wurde. Rund 70 Menschenleben forderte allein der jüngste Sturm "Ike". Die Überlebenden bekommen mittlerweile Hilfe: mit Militärhubschraubern vom Himmel oder mit Booten übers Wasser. Befahrbare Straßen gibt es so gut wie keine mehr.

Autor/in:
Brigitte Schmitt
 (DR)

Auch der Bischof der stark von den Stürmen und Wassermassen betroffenen Stadt Gonaives, Yves Marie Pean, hat sich mit rund 500 Menschen in die oberen Stockwerke seiner Residenz geflüchtet. «So viele Menschen sind seit Tagen in ihren Häusern gefangen, ohne Trinkwasser und Elektrizität», berichtet er. «Wir versuchen, den Opfern so gut wie möglich zu helfen.» Dazu brauche er vor allem Trinkwasser, Nahrung, Kleidung, aber auch Chlor zum Desinfizieren und Moskitonetze, so der Bischof.

Pean erinnert sich noch mit Schrecken an die Flutkatastrophe vor vier Jahren. Damals starben 4.000 Menschen. Auch dieses Jahr ist seine Stadt, Gonaives, die viertgrößte des Landes, betroffen. In ihrem Einzugsgebiet leben eine Million Menschen. Der Bischof hofft auf Hilfe - unter anderem von der Caritas. Deren Mitarbeiter verteilen nach Angaben des Verbands inzwischen fieberhaft Nothilfe-Pakete an etwa 20.000 Betroffene.

Unterstützt wird die katholische Hilfsorganisation vom Catholic Relief Service, der von den Vereinigten Staaten aus den Einsatz organisiert. Auch UN-Hilfsorganisationen, das Rote Kreuz und die US-amerikanische Entwicklungsagentur USAID sind im Einsatz. Aus Deutschland leisten etwa das bischöfliche Hilfswerk Misereor und das katholische Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat Unterstützung.

Die Hilfe von allen Seiten ist auch bitter nötig. Große Teile der Bevölkerung sind von der Außenwelt nahezu abgeschnitten; und mit jedem Tag wird die Versorgung wegen eingebrochener Brücken und weggeschwemmter Straßen schwieriger. Überlastete und zerstörte Telefonleitungen erschweren die Logistik zusätzlich. «Es war wie eine riesige Lawine. Zuerst das Meer und dann der Fluss aus den Bergen», schildert «Haiti-en-March» die Ereignisse der vergangenen Tage.

Doch sind nicht nur die vom Hurrikan angetriebenen Wassermassen für die derzeitige Katastrophe verantwortlich. Auch die jahrelange Abholzung von Wäldern und die Vernachlässigung der Landwirtschaft zeigen jetzt ihre Folgen. Zudem werfen Kritiker der Regierung vor, keine Vorkehrungen für Notfälle getroffen zu haben. Kommentare und Berichte in örtlichen Medien schäumen vor Wut über die Misswirtschaft, unter deren Folgen nun Tausende leiden müssen.

«Auf unsere Probleme wird nur oberflächlich reagiert. Wir haben uns daran gewöhnt, von Fall zu Fall zu reagieren», schreibt etwa die Agentur «Agence Haitienne de Presse». «Wir beklagen uns, wir bitten um Hilfe, wir zählen die Opfer und warten auf die nächste Katastrophe». Und der Kommentator von «Haiti-en-March» zeigt fast schon resigniert mit dem Finger auf die eigene Führung: «Haiti stirbt vor unseren Augen. Offensichtlich ist die Nation auf ewig dazu verdammt, die Rolle des ärmsten Landes der Welt zu spielen.»