Lara Fritzsche hat den Katholischen Medienpreis bekommen

"Das ist Religion, wenn man seiner toten Freundin SMS schickt"

"Das Leben nach dem Tod in Utoya" heißt der Beitrag, für den Lara Katharina Fritzsche den Katholischen Medienpreises bekommen hat. Die Preisträgerin hat vor der Verleihung im domradio.de-Interview über ihre Recherchen in Norwegen gesprochen.

Lara Fritzsche / © Bettina Fürst-Fastré
Lara Fritzsche / © Bettina Fürst-Fastré

domradio.de: Frau Fritzsche, Sie bekommen den Preis heute Abend für Ihren Beitrag "Das Leben nach dem Tod in Utoya". Darin geht es um die Opfer des Massakers von Utoya, als Anders Breivik in einem Jugendlager in Norwegen 69 Menschen getötet hat. Eine junge Frau, die dabei ihre beste Freundin verloren hat, die haben Sie im Jahr danach begleiet. Wie haben Sie Kontakt gefunden zu dieser Frau? 

Fritzsche: Schon relativ bald nach diesem Vorfall auf Utoya habe ich Sie angeschrieben über Facebook, wie auch noch zehn oder elf andere, die damals auf der Insel dabei waren, und habe die dann schon einen Monat danach in Oslo, Trondheim und vielen kleineren Orten in Norwegen besucht und getroffen und gesprochen. Dann habe ich diese Geschichte eben gefunden, oder habe rausgehört, dass sie so mit ihrer Trauer umgeht, sie schreibt ja ihrer toten Freundin weiter Nachrichten aufs Handy. Und dann hab ich gedacht, dass ist eine tollere Geschichte als ganz viele einzelne Schicksale, und hab sie dann eben lange begleitet. 

domradio.de: Wie haben Sie diese Begleitung erlebt?

Fritzsche: Ja, zuerst war das total schwierig, weil sie noch Erinnerungen hatte, die ziemlich plastisch waren, aber natürlich auch sehr aufgewühlt dabei war und viel geweint hat, so dass ich selber oft nicht wusste, fragt man da jetzt weiter, kann man da noch weiter fragen. So waren dann die ersten Besuche auch eher kurz, weil ich das Gefühl hatte, das passt jetzt noch nicht. Aber das hat natürlich dann später geholfen, ein halbes Jahr und ein Jahr später dann zu sagen, du hast doch damals mal erzählt, und dann konnte sie ganz anders darüber sprechen und hatte schon viel mehr verarbeitet. Der norwegische Staat ist da ja vorbildlich umgegangen, die haben ja alle psychologische Betreuung bekommen, die hatten in der Schule die Möglichkeit, Schuljahre zu wiederholen, aber ohne diesen Impetus hier, du bleibst sitzen, sondern es war völlig klar, dass denen alles möglich gemacht wird. Die Schule zu schaffen, ohne da blöd draufzuzeigen. Das fand ich auch ziemlich bewundernswert.

domradio.de: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Geschichte über Opfer und Hinterbliebene der Katastrophe von Utoya zu schreiben?

Fritzsche: Also, ehrlich gesagt, war das erster journalistischer Instinkt. Wenn so etwas passiert, dann überlegt man ja sofort, auf welche Art und Weise könnte man das aufbereiten. Und wenn man jetzt nicht gerade bei einer Tageszeitung ist, sondern bei einem Monats- oder Wochenmagazin, überlegt man sich halt eine Möglichkeit, mit der man sofort darauf reagieren kann oder möglichst bald, ein paar Wochen später, oder halt auf eine lange Sicht. Und so hat sich eben diese lange Sicht ergeben. Aber was darüber zu machen, war einfach sofort klar.

domradio.de: Jetzt hat die Jury in der Begründung für den Preis geschrieben, "der Text hat eine religiöse Dimension, die gleichzeitig aber nie aufdringlich wird". Inwiefern empfinden Sie selber eine religiöse Dimension?

Fritzsche: Naja, sie spricht mit einer Freundin, die tot ist, also, in einem religiösen Sinne geht sie davon aus, dass sie nicht unter der Erde liegt und dort Fleisch verfault, sondern sie geht davon aus, dass sie woanders ist. Und das ist ja Religion, wenn man glaubt, dass dieses Leben weitergeht und dass die Freundin weiter irgendwo lebt, und sei es auch nur in ihr. Da sind die Begrifflichkeiten ja weit, kann man ja weit auslegen, aber in ihrem Sinne ist die Freundin irgendwo und sie sagt auch ganz konkret, dass die oben ist, also auf jeden Fall ein christlich geprägtes Bild.

domradio.de: Jetzt waren Sie lange Zeit dabei bevor Ihre Geschichte im ZEIT-Magazin erschienen ist, sie haben die junge Frau lange begleitet, haben sicher auch viel Material gesammelt. Wenn Sie etwas mehr Platz gehabt hätten für die Geschichte, was hätten Sie noch geschrieben? Was mussten Sie jetzt weglassen, was Sie vielleicht bedauert haben?

Fritzsche: Ich musste gar nichts weglassen, das ist das Tolle an dem Arbeiten dort. Und auch beim Magazin der Süddeutschen, wo ich jetzt bin, dass man im Grunde selber sagen kann, wie viel Platz man  braucht. Also, es ist nicht mehr so, zeitungsseitenmäßig, irgendwann ist Schluss, dann muss noch ein Bild rein und dann muss man wieder kürzen, sondern das war schon bewusst eine relativ kurze Geschichte, weil ich selber keinen Elan habe, zehn, zwölf Seiten zu lesen, und davon ausgehend, eigentlich gerne so kompakt wie möglich Sachen erzähle, in der Hoffnung, dass es dann mehr Leser findet.

domradio.de: Und diese kompakte Geschichte über die Geschichte von Utoya hat viele Leser gefunden und für die werden Sie jetzt mit einem Preis ausgezeichnet. Was bedeutet das für Sie? Ist das einfach nur eine nette Auszeichnung oder steckt da mehr dahinter für Sie?

Fritzsche: Das freut mich natürlich sehr. Einfach nur nette Auszeichnung klingt jetzt so schlecht, das ist natürlich eine tolle Auszeichnung, wenn Kollegen, die da in der Jury sitzen, meinen, dass von diesen 210 Einsendungen meine die treffendste ist, oder die, die am besten in diesen Preis passt, das ist natürlich ganz toll.

Das Interview führte Matthias Friebe


Quelle:
DR