Leiter des Jerusalemer Patriarchats will Dialog stärken

"Wir müssen als Einheit arbeiten"

Seit Juli steht der frühere Franziskanerkustos Pierbattista Pizzaballa als Apostolischer Administrator an der Spitze des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem. Im Interview erklärt Pizzaballa wie er an seine neuen Aufgaben herangeht.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Pierbattista Pizzaballa (m.), neuer Apostolischer Administrator im Heiligen Land / © Abed Al Hashlamoun (dpa)
Pierbattista Pizzaballa (m.), neuer Apostolischer Administrator im Heiligen Land / © Abed Al Hashlamoun ( dpa )

KNA: Herr Erzbischof, Ihre Ernennung wurde teils mit einer gewissen Enttäuschung aufgenommen - weil nach zwei einheimischen Patriarchen wieder ein Europäer an der Spitze des Patriarchates steht. Wie gehen Sie damit um, dass es gleich zu Beginn eine gewisse Opposition gibt?

Pierbattista Pizzaballa (Apostolischer Administratordes Lateinischen Patriarchats): Ich weiß nicht, ob man es Opposition nennen kann, aber ich muss mit dieser Realität umgehen. Ich kann nicht Verständnis von allen erwarten, aber nach den ersten Reaktionen werden sich die Dinge beruhigen. Zudem ich muss betonen, dass ich nicht den Patriarchen ersetze. Formal stehe ich an der Spitze dieser Kirche und bin verantwortlich - aber es gibt derzeit keinen Patriarchen. Die Angst vor einer Änderung der Politik beruht auf Mutmaßungen. Die Rolle des Administrators ist von seiner Natur her zeitlich begrenzt. Für die Zeit, die ich dieses Amt innehabe, werde ich mein Bestes tun, um der hiesigen Kirche zu helfen.

KNA: Ist Ihre Ernennung von Rom mit dem Wunsch verbunden, bestimmte Dinge zu ordnen, bevor ein neuer Patriarch ernannt wird?

Pizzaballa: Nein, es gibt keine Agenda.

KNA: Dennoch gibt es Gerüchte über Schwierigkeiten im Patriarchat, nicht zuletzt finanzieller Art. Ist Ihr Einsatz als Administrator auch eine Gelegenheit, Ordnung zu schaffen?

Pizzaballa: Die Schwierigkeiten sind kein Geheimnis, und natürlich besteht meine Aufgabe auch darin, bei der Reorganisation dieser Ding mitzuhelfen, um eine Verbesserung zu erreichen.

KNA: Was werden Sie als erstes angehen?

Pizzaballa: Ich bin kein Prophet. Als erstes gilt für mich: zuhören, schauen, beobachten. Ich muss versuchen, die Situation von innen her zu verstehen und dann entscheiden, was zu tun ist. Ich komme nicht als Eroberer, sondern um der Sache zu dienen.

KNA: Was heißt das konkret?

Pizzaballa: Ich muss zunächst alle Priester treffen. Sie sind es, die vor Ort arbeiten. Ich muss sie kennenlernen und ihnen zuhören, denn was immer ich tun werde, muss ich zusammen mit ihnen tun. Das gleiche gilt für die Weihbischöfe, die verschiedenen Gremien und Organisationen... Bislang kannte ich die Diözese nur von außen - insofern ist alles neu für mich.

KNA: Sie kommen von der Franziskaner-Kustodie ins Patriarchat. Die Zusammenarbeit zwischen beiden gilt als nicht immer einfach. Wird sich das mit einem ehemaligen Kustos an der Spitze des Patriarchats ändern?

Pizzaballa: Die sogenannten Spannungen zwischen beiden Institutionen scheinen mir der Geschichte anzugehören. In den vergangenen Jahren als Kustos habe ich davon nichts gespürt. Aber natürlich wird es helfen, die Beziehungen noch zu verbessern.

KNA: Als eine Ihrer ersten Amtshandlungen haben Sie den jordanischen Teil Ihrer Diözese besucht.

Pizzaballa: Hintergrund des Besuchs war eine Konferenz christlicher Juristen und Kirchenrechtler des Nahen Ostens. Dies habe ich zum Anlass genommen, um Jordanien als wichtigen Teil des Patriarchats zu besuchen.

KNA: Zum Amtsantritt von Patriarch Fouad Twal gab es Überlegungen, die Diözese aufzuteilen. Die Rede war von einem Bistum für die hebräischsprachigen Katholiken, aber auch von einer eigenen Diözese für Jordanien. Bestehen diese Überlegungen noch?

Pizzaballa: Es gibt keinerlei Diskussion darüber. Die Diözese ist groß, aber wir dürfen nicht nur den geografischen Aspekt berücksichtigen, sondern müssen auf die Zusammensetzung schauen. Die lateinischen Katholiken im Nahen Osten sind nicht sehr zahlreich.

Dazu kommen kulturelle und traditionelle Verbundenheiten und die Zusammensetzungen der anderen Kirchen. Eine perfekte Lösung gibt es nicht, aber das Heilige Land war immer vereint und wird es auch bleiben.

KNA: Da die Diözese so groß ist - wird es neue Bischöfe geben?

Pizzaballa: Wir haben gegenwärtig ausreichend Bischöfe.

KNA: Ein Schwerpunkt Ihrer Aufgaben liegt auf der Betreuung der arabischsprachigen Christen. Werden Sie dazu Ihre Arabischkenntnisse vertiefen?

Pizzaballa: Natürlich, daran muss ich arbeiten. Ich werde zwar keine Zeit für einen Sprachkurs haben, aber ich werde Privatunterricht nehmen.

KNA: Während Ihrer Zeit als Kustos waren Sie gut in die jüdisch-israelische Gesellschaft vernetzt, was von einheimischen Christen teils kritisch gesehen wird. Wird es in dieser Hinsicht eine neue Politik geben?

Pizzaballa: Nein. Meine Aufgabe ist temporär, entsprechend sollte meine Agenda im Verhältnis zu dem stehen, was ich leisten kann. Es ist nicht an der Zeit, auch nur über eine neue Politik nachzudenken.

Ich komme in das Patriarchat, so wie es ist, und versuche, in bestimmten Bereichen zu helfen, das ist alles. Ich denke allerdings schon, dass wir eine offene Kirche sein müssen - und bis zu einem bestimmten Punkt sind wir es bereits. Dass ich eine gewisse Nähe zur israelischen Gesellschaft habe, bedeutet nicht, dass ich sie nicht auch zur anderen Seite haben kann. Das Kriterium "hier" oder "dort" können wir nicht akzeptieren: Die Kirche ist für alle.

KNA: Was sind die größten Herausforderungen dieser Kirche?

Pizzaballa: Für eine Antwort darauf ist es zu früh. Was ich etwa in Jordanien gesehen habe, ist eine sehr lebendige Präsenz der Kirche.

Diese schöne und gute Realität sollte erhalten und unterstützt werden.

KNA: Was wünschen Sie sich von Ihrer Diözese?

Pizzaballa: Zusammenarbeit. Wir sind eine Kirche, und wir müssen als eine Einheit arbeiten. Und wir dürfen nicht vergessen, weshalb wir hier sind: um den Menschen hier zu dienen.

KNA: Sie sagen, als Administrator ist Ihre Zeit begrenzt. Gibt es eine Prognose, wann ein neuer Patriarch ernannt werden wird?

Pizzaballa: Nein. Und wenn es sie gäbe, würde ich nicht darüber sprechen.

KNA: Sollte man Sie zum Patriarchen ernennen - nähmen Sie das Amt an?

Pizzaballa: Der Gehorsam steht nicht infrage; darüber diskutiert man nicht, sondern man tut es. Aber das ist eine rein theoretische Frage.

 

Quelle:
KNA