Lernsoftware über Weltreligionen wurde erneut ausgezeichnet

Reise nach "Religiopolis"

Ein friedliches Zusammenleben der Religionen und Toleranz auf allen Seiten? Zumindest virtuell ist das möglich. In "Religiopolis" - so der Name der "Stadt" auf einer an der Universität Jena entwickelten Lernsoftware - wohnen Buddhisten, Christen, Hindus, Juden und Muslime in Eintracht.

 (DR)

Für das Konzept wurde die CD-ROM in den vergangenen drei Jahren mehrfach ausgezeichnet, zuletzt nun mit dem Erasmus EuroMedia Special Award 2007 der Europäischen Gesellschaft für Bildung und Kommunikation (ESEC).

Per Mausklick kann der Besucher Kirche, buddhistisches Kloster, Hindutempel, Moschee oder Synagoge besichtigen oder bei Familien verschiedener Religionszugehörigkeit zu Hause anklopfen. Die Software, die beim Ernst-Klett-Verlag erschienen ist, soll vor allem Kinder und Jugendliche mit den wichtigsten Religionen der Welt bekannt machen. "Erbaut" hat die Stadt der Jenaer Religionswissenschaftler Udo Tworuschka zusammen mit einem Team von zeitweise 20 Mitarbeitern.

Unterschiedlichen Glaubensvorstellungen erlebbar machen
"Es war uns wichtig, die unterschiedlichen Glaubensvorstellungen erlebbar zu machen", erläutert Tworuschka. So kann der Besucher die Schüler Maryam und Djamila in einer Koranschule befragen oder den Erzählungen eines Mekka-Pilgers zuhören. In den jeweiligen Gotteshäusern werden theologische Fragen beantwortet. Betreten kann der Besucher diese Einrichtungen aber erst, wenn er die vorgeschriebenen Riten einhält und etwa in der Moschee seine Schuhe vor der Tür auszieht.

Katholiken und Protestanten teilen sich eine Kirche. "Das hat aber eher technische Gründe", so Tworuschka schmunzelnd. "Ich wollte hier der Ökumene nicht vorgreifen." In einem zweiten Schritt kann sich der Besucher in dem Gotteshaus deshalb per Mausklick entscheiden, über welche der beiden Konfessionen er sich näher informieren will. Ähnlich verfuhr das Wissenschafts-Team bei den orthodoxen und liberalen Juden, für die es ebenfalls nur ein Gebäude gibt.

In der Bibliothek der virtuellen Stadt stehen unzählige religiöse Schriften. Es gibt Lexika und eine "Schatztruhe", angefüllt mit Weisheiten. Zudem kann der Besucher dort in einen Fahrstuhl steigen. Er bringt ihn bis zu den Anfängen religiösen Lebens und präsentiert 29 historische Szenen aus der Geschichte der fünf Religionen. Beim Christentum etwa steht ein Bild des Reichstags zu Worms von 1521 für die Reformation, und beim Buddhismus ist die Flucht des Dalai Lama aus dem Tibet dargestellt.

Jeder kann das abrufen, was er braucht
Über das Alltagsleben erhält der Besucher Informationen, wenn er bei den Familien an der Wohnungstür klingelt. Hier stehen ethische Fragen, Riten und Feste im Mittelpunkt. Auf Friedhöfen erzählen die virtuellen Gläubigen über die Form der Bestattung und ihre Vorstellungen über ein Leben nach dem Tod. Drei Jahre arbeitete das Autoren-Team an dem Vorhaben, das mit rund einer Million Euro vom Bundesbildungsministerium unterstützt wurde.
Eine weitere Million investierte der Klett-Verlag. Beteiligt waren außer Wissenschaftlern auch Architekten, Zeichner, Pädagogen und eine Softwarefirma.

Obwohl sich die Verfasser um "spartanisch kurze Texte" bemühten, enthält die CD Informationen, die zusammen rund 3.000 Papierseiten sowie zahlreiche Videos und Audioformate füllen würden. Angst davor, von dem Wissen erschlagen zu werden, braucht trotzdem niemand zu haben. "Jeder kann genau das abrufen, was er braucht - viele Symbole sind schon in acht oder neun Zeilen erklärt", so Tworuschka. Allerdings kann der Besucher auch ganze Tage in der Stadt zubringen. Allein mit dem Anklicken der verschiedenen Möglichkeiten wäre er neun Stunden beschäftigt.

Von Birgit Wilke (KNA)