Heiko Herrlich nimmt gerne einen Bibelvers zur Hand, wenn er merkt, dass er "nicht weiterkommt oder eine bestimmte Sache nicht lösen kann". Das sagte der Ex-Nationalspieler im Interview der "Welt" (Donnerstag).
So habe er, als ein Spieler einen Co-Trainer beschimpft hatte, diesen nicht rausgeworfen, sondern vor dem Team die Stelle aus dem Johannes-Evangelium vorgelesen, in der Jesus sagte: "Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie." Ihm sei es nicht dabei um Sünde gegangen, "aber um Fehler, die wir alle mal machen".
Nicht missionarisch unterwegs
Der 45-Jährige erklärte jedoch: "Ich bin nicht im missionarischen Auftrag unterwegs. Für mich sind alle Spieler gleich. Bei mir hat keiner einen Vorteil, der Christ ist." Es gehe ihm darum, ein Team zu formen. "Dabei spielt es keine Rolle, wie oft man abends miteinander essen oder bowlen geht, sondern nur um das, was auf dem Platz passiert", so Herrlich.
Er ergänzte: "Natürlich kann es sein, dass der Teamgedanke irgendwann bei einem Spieler mal abhandengekommen ist, weil jemand aus seinem Umfeld gemeint hat, dass die Farbe der Schuhe wichtiger sei oder die Anzahl der Tattoos." Aber dann müsse der Trainer ihn daran erinnern, wie viel Spaß es bereite, als Team zu agieren. Mannschaften wie Leicester City, die unerwartet 2016 englischer Meister wurden, hätten gezeigt, was möglich ist. "Du brauchst nicht die besten Spieler, du brauchst die richtigen Spieler."
Jorginho als Vorbild
Herrlich hat nach eigenen Worten schon als Kind einen Bezug zu Gott gehabt und bei Bauchschmerzen zu ihm gebetet. Als Spieler bei Bayer Leverkusen sei er damals mit 17 der Jüngste gewesen. "Die älteren haben mich voll auflaufen lassen", so Herrlich. Dann sei der Brasilianer Jorginho zum Verein gewechselt - "und er war zu allen gleich, egal ob zum Zeugwart, zur Putzfrau oder einem Spieler, der in der Hierarchie unten stand. Das hat mich schwer beeindruckt."
Bei der Diagnose "Hirntumor" 2000 habe er an Gott gezweifelt, bekannte Herrlich. "Als ich geheilt war, verspürte ich dann aber wieder große Dankbarkeit, obwohl der Weg zurück zu Gott nicht leicht war", so der Trainer. Der Glaube sei nicht immer gleich. "Wenn ich weit weg war vom Glauben, war es bislang immer schwierig in meinem Leben. Und wenn ich fest verankert war, lief meistens alles gut. Im Moment bin ich sehr fest im Glauben."