Ein "unwürdiges Gezerre" und Polemisieren um Flüchtlinge, die Kriminalisierung der Seenotretter oder das Ringen um den Brexit ließen den Staatenbund derzeit in keinem guten Licht erscheinen, sagte Becker am Sonntag beim Festempfang zu Beginn der diesjährigen Libori-Festwoche in Paderborn.
Europa könne nicht nur auf der Basis des wirtschaftlichen Vorteils aufgebaut sein. "Das wäre ein geistloser Egoismus von Nationen und Gesellschaften."
"Europa und seine Einigung ist ein großes Friedensprojekt"
Mit Besorgnis nehme er das Erstarken rechtsnationaler Kräfte in Europa und auch in unmittelbarer Umgebung wahr, sagte Becker laut Redetext. Doch in einer Kultur des Nationalismus und Individualismus bleibe der einzelne auf der Strecke, warnte er. "Europa und seine Einigung ist ein großes Friedensprojekt", erinnerte der Erzbischof an die Anfänge der Europäischen Gemeinschaft vor 70 Jahren. "'Friede' heißt auch Verantwortung und Solidarität, heißt Mitmenschlichkeit und Geschwisterlichkeit", betonte er.
Das Libori-Fest selbst gehe auf einen "Liebesbund ewiger Bruderschaft" zurück, erklärte Becker. Die französische Ortskirche von Le Mans habe den Paderbornern vor nahezu zwölf Jahrhunderten einen Bistumspatron geschenkt, dessen Verehrung für viele Gläubige noch immer ein Herzensanliegen sei. Eine Freundschaft sei entstanden, die "bis heute alle Auseinandersetzungen und Kriege in Europa überdauert hat".
Eines der ältesten Volksfeste Deutschlands
Das Libori gilt als eines der ältesten Volksfeste Deutschlands. Traditioneller Auftakt war am Samstag eine Prozession durch die Stadt. Mit der Überführung des Libori-Schreins aus der Domkrypta in den Hochchor erinnert das Erzbistum Paderborn jedes Jahr im Sommer an die Ankunft der Reliquien des heiligen Liborius von Le Mans im Jahr 836.
Das Erzbistum erwartet 25 Bischöfe und Äbte aus 13 Ländern zu "Libori 2019", darunter auch aus Brasilien und Argentinien. Aus dem Paderborner Partnerbistum Le Mans reist Bischof Yves Le Saux an, der am Montag das Pontifikalamt mit französischen Gästen im Dom feiern wird. Von der evangelischen Kirche ist der kurhessische Bischof Martin Hein aus Kassel zu Gast. Abschluss der Festwoche bildet am 4. August ein "Tag der Familien". Zum Erzbistum Paderborn gehören 1,5 Millionen katholische Christen.