Raju Sharma ist amtierender Schatzmeister und ehemaliger kirchenpolitischer Sprecher der Linken.
domradio.de: Die Linke will eine strikte Trennung von Kirche und Staat, das hat uns Ihr Parteikollege Rüdiger Sagel gesagt. Deswegen will der Landessprecher, dass der Martinsumzug nicht von Kitas organisiert wird, sondern von den Kirchen. Wie sehen Sie das als ehemaliger kirchenpolitischer Sprecher der Linken, Herr Sharma?
Sharma: Was den Grundsatz angeht - die Trennung von Staat und Kirche - da sind Herr Sagel und ich auf einer Linie, und auch auf der Linie der Partei. Wir wollen wirklich eine strikte Trennung von Staat und Kirche. Auf der anderen Seite gibt es viele christliche, oder auch muslimische oder jüdische Feste, die sich mittlerweile in der Gesellschaft verankert haben. Die wollen wir niemandem nehmen.
Ich finde es richtig, dass wir die verschiedenen religiösen Traditionen als Bereicherung unserer Kultur empfinden. Und in diesem Sinne lieber mehr Feste feiern - auch von Glaubensgemeinschaften, denen wir nicht angehören - als dass wir einzelnen Glaubensgemeinschaften sagen, sie sollten ihre Feste nicht feiern.
domradio.de: Sie fordern diese strikte Trennung von Staat und Kirche. Aber lässt sich das denn so durchsetzen?
Sharma: Man kann es in vielen Bereichen, also zum Beispiel institutionell, sicher trennen. Aber das bezieht sich nun gerade nicht auf solche Feste wie Weihnachten oder das Sankt-Martins-Fest, was ja in bestimmten Regionen in Deutschland doch eine besondere Tradition hat. Ganz konkret, was das Laternelaufen angeht: Ich bin selbst in Hamburg aufgewachsen, das ist nicht so katholisch geprägt, da sind wir Laternelaufen gegangen und haben auch andere Lieder gesungen, die sich nicht so sehr auf Sankt Martin bezogen haben. Ich find es aber überhaupt nicht schlimm und auch nicht unvereinbar mit der Trennung von Staat und Kirche, wenn Kinder in anderen Regionen Sankt Martin besingen, wenn sie mit der Laterne herumlaufen.
domradio.de: Dennoch sind entsprechende Vorstöße und Entwicklungen, christlich verwurzelte Feste umzubenennen, nicht neu. Welche Haltung steckt Ihrer Meinung nach dahinter?
Sharma: Ich glaube, da steckt die Idee dahinter, dass wir wirklich eine striktere Trennung von Staat und Kirche haben wollen und auch, dass wir die Religionsfreiheit in der Weise schützen wollen, dass wir Angehörigen von anderen Glaubensgemeinschaften nicht die Traditionen der christlichen Glaubensgemeinschaft sozusagen aufdrücken wollen. Ich finde es an diesem Beispiel, muss ich sagen, etwas überzogen. Ich würde es daran nicht festmachen, insofern überzeugt mich dieser Vorstoß meines Parteikollegens nicht so. Andererseits finde ich auch die Aufregung um diesen Vorstoß etwas übertrieben.
domradio.de: Es gibt jetzt auch Forderungen, zum Beispiel muslimische Feste und Bräuche stärker in die Gesellschaft hineinzutragen. Wie steht Ihre Partei dazu?
Sharma: Das finden wir richtig. Es ist doch richtig, dass wir, wenn wir ganz viele Muslime mittlerweile in Deutschland haben, den Muslimen selbst die Möglichkeit geben, ihren Glauben zu leben und die entsprechenden Traditionen und Rituale auch zu pflegen. Und auf der anderen Seite aber auch erkennen, dass es auch ein Gewinn sein kann, wenn man deren kulturelle Brauchtümer mit übernimmt und pflegt und mit ihnen gemeinsam feiert. Gerade durch die unterschiedlichen Feste erkennt man ja auch die gemeinsamen Wurzeln, die Menschen haben, egal, welcher Religion sie angehören.
Auch wenn sie keiner Religion angehören - sie werden immer auf die gleichen Werte zurückgebracht und das sind Werte wie Nächstenliebe, Toleranz, Barmherzigkeit, Solidarität, Gerechtigkeit und so weiter. Das finden Sie überall - manchmal in unterschiedlicher Ausprägung, manchmal mit unterschiedlichen Namen. Und ich glaube, gerade wenn man die Feste miteinander feiert, erkennt man, wie viel Gemeinsames wir haben.
Das Interview führte Dagmar Peters.