Lippstadts Dechant spricht über die starken Unwetterschäden

"Die Betroffenheit wurde überdeckt vom Anpacken"

In Lippstadt haben die Unwetter besonders stark gewütet. Sogar von einem Tornado ist die Rede. Der katholischen Kirche St. Clemens im Ortsteil Hellinghausen fehlt die Turmspitze. Wie geht es den Menschen, Lippstadt und dem Gotteshaus?

 (dpa)

DOMRADIO.DE: Wie zerstört ist die Kirche St. Clemens aktuell?

Dechant Thomas Wulf (leitender Pfarrer des Pastoralen Raums Lippstadt): Wir haben gerade einen Bautechniker unseres zuständigen Gemeindeverbandes und unseren Verwaltungsleiter vor Ort. Die beiden nehmen systematisch die Schäden auf. Als Nichtfachmann kann ich das schlecht einschätzen. Was aber jeder sehen kann, ist die abgedeckte Turmhaube. Die ist weggeflogen und am Boden zerschellt.

Dechant Thomas Wulf
Dechant Thomas Wulf

Was man nicht sofort sieht und eine viel größere Geschichte ist: Das ganze Dach der Kirche ist um circa 30 Zentimeter Richtung Norden verschoben. Die Schäden sind eine große Herausforderung, aber ich bin guter Hoffnung, dass man die Kirche wiederherstellen kann. Das wird mit einem großen Aufwand verbunden sein und das ist nicht mal schnell gemacht. Außerdem haben wir noch einige zerborstene Fenster.

In einem ersten Schritt muss ein Statiker kommen und abschätzen, welche Auswirkungen die Schäden auf das Gewölbe und die ganze Konstruktion der Kirche haben. Im Moment sieht es so aus, dass das Gewölbe innerhalb der Kirche keinen Schaden genommen hat.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet das jetzt für den Kirchort St. Clemens und für die Gottesdienste?

Wulf: Der Kirchort St. Clemens ist ein bisschen speziell. Es ist ein historisches Ort, ganz direkt an der Lippe gelegen. Das Problem der Hellinghäuser war immer das Hochwasser der Lippe. Deswegen hat sich der Ort geschichtlich verlagert. Heute ist St. Clemens ein Kirchspiel mit den Orten Herringhausen und Overhagen. Dort gibt es noch eine zweite Kirche. Das heißt für die Pfarrei haben wir eine Ausweichmöglichkeit.

St. Clemens haben wir als Hochzeitskirche beworben und bespielt, weil diese Kirche eine schöne Barockkirche und in den Lippeauen gelegen ist. Zeitnah in St. Clemens wieder Gottesdienste zu feiern, wird erst mal nicht möglich sein. Das wird sicher eine längere Zeit brauchen, bis wir die Kirche wiederhergestellt haben.

DOMRADIO.DE: Wie geht es konkret weiter mit der Kirche?

Wulf: Gerade ist auch der Kirchenvorstand da, um schon mal einen Ortstermin zu machen und mit dem Erzbistum zu überlegen, wie man die Schäden angeht. Erstmal muss ein Statiker kommen, um die Schäden zu bemessen und nicht nur zu gucken was man sieht, sondern was da wirklich an Schäden dahintersteckt. Und dann braucht der Turm wahrscheinlich ein Notdach, um das Gemäuer vor Feuchtigkeit zu schützen. Das sind wahrscheinlich die ersten Maßnahmen.

DOMRADIO.DE: Jetzt haben wir viel über Gebäude geredet. Wie gehen die Menschen in Hellinghausen mit dieser Katastrophe um?

Wulf: Ich war gestern direkt vor Ort und es war interessant, wie die Hellinghäuser reagiert haben. Die Betroffenheit wurde erst mal überdeckt mit dem Anpacken. Es waren viele Leute da und haben aufgeräumt, die Wege freigeschnitten. Jeder kam mit dem Gerät, was er hatte, mit der Motorsäge, dem Trecker, dem Bagger. Das war unbeschreiblich, wie viel Einsatz von den Leuten kam.

Nach der Arbeit, als die Menschen wieder etwas zur Ruhe kamen und auf die Kirche schauten, da kam die Traurigkeit darüber, was mit ihrer schönen Kirche passiert ist. Natürlich werden wir in den Gottesdiensten am Wochenende darauf eingehen und das Gespräch suchen.

Ich telefoniere im Moment viel mit den Menschen, um Raum zu geben, über die Dinge zu sprechen, die man erlebt hat und die den Menschen widerfahren sind.

DOMRADIO.DE: Betroffen ist ja nicht nur die Kirche, sondern ganz Lippstadt. Haben Sie einen Überblick, wie schlimm es generell in Lippstadt aussieht?

Dechant Thomas Wulf

"Es ist ein dauerhaftes Motorsägen, weil überall versucht wird, aufzuräumen"

Wulf: Wir sind erst mal sehr erleichtert, dass es keinen Personenschaden gegeben hat, im Gegensatz zu Paderborn. Ich wohne in der Lippstädter Innenstadt und hier unterscheiden sich die Schäden von einer Kreuzung zur Nächsten.

An der einen Kreuzung ist so gut wie nichts und an der nächsten Kreuzung sind alle Dächer abgedeckt. Es ist wie eine Schneise. Einige Bereiche sind weniger und andere ganz stark getroffen. Das Dach des Gymnasiums ist abgedeckt und auch an der Kirche St. Elisabeth in Lippstadt haben wir Schäden.

Von viele Bäumen stehen teilweise nur noch die Stümpfe. Es ist ein dauerhaftes Motorsägen, weil überall versucht wird, aufzuräumen.

Das Interview führte Oliver Kelch.

Quelle:
DR