DOMRADIO.DE: In sechs Monaten werden bis zu anderhalb Millionen junger Menschen in Lissabon erwartet. Weist denn schon irgendetwas im Alltag der Metropole darauf hin?
Christina Weise (Journalistin in Lissabon): Ja, es wurden bereits im letzten Jahr sehr große Aufsteller errichtet, die die Tage herunterzählen. Das funktioniert wie ein Countdown. Wie lange dauert es noch, bis der Weltjugendtag startet? Auch Plakate weisen darauf hin, dass der Weltjugendtag in diesem Jahr in Lissabon stattfindet.
Allerdings habe ich gemerkt, dass die Lissabonnerinnen und Lissabonner, jedenfalls im letzten Jahr, noch gar nicht richtig informiert waren und sich teilweise gewundert haben, was das eigentlich ist, und dann angefangen haben zu googlen.
DOMRADIO.DE: In der vergangenen Woche kam die Meldung, dass die portugiesische Regierung die Mittel für das katholische Großereignis von ursprünglich vorgesehenen 36,5 Millionen auf jetzt nur noch 30 Millionen Euro kürzt. Was steckt dahinter?
Weise: Das ist tatsächlich der Grund, warum der Weltjugendtag jetzt im Bewusstsein der Bevölkerung angekommen ist. Vor ungefähr zehn Tagen hatten die Medien veröffentlicht, dass die Altarbühne für den Abschlussgottesdienst des Papstes um die fünf Millionen Euro kosten soll. Es gab einen riesigen Aufschrei in der portugiesischen Bevölkerung. Es war ein richtiger Skandal. Tagelang wurde darüber berichtet.
Es folgten dann weitere Skandale, was was die Kosten betrifft, denn es fehlt hier im öffentlichen Leben an allem. Die Lehrer gehen seit Dezember auf die Straße, es gibt fast jeden Tag Demonstrationen, insbesondere an den Wochenenden, weil die Gehälter so niedrig sind. In den Notaufnahmen muss man Stunden, teilweise einen ganzen Tag warten, wenn man einen Notfall hat, weil es an Ärzten fehlt, an Pflegepersonal. Es mangelt also überall in öffentlichen Bereichen an Geld.
Und jetzt kommt raus, dass die Regierung für einen Weltjugendtag so viel Geld in die Hand nimmt, von dem die meisten Portugiesinnen und Portugiesen noch gar nichts gehört hatten.
Zudem ist am Samstag in den Abendnachrichten bekannt geworden, dass es noch gar kein Sicherheitskonzept gibt. Die Polizei hat mal nachgefragt: Wie sieht es aus?
Es ist nämlich Hochsommer und Urlaubszeit, viele Polizisten, Polizistinnen und Militärs haben sich freigenommen. Diese Dinge kommen gerade immer mehr ans Licht, weswegen der Weltjugendtag seit zehn Tagen täglich in den Nachrichten ist - allerdings leider überhaupt nicht positiv.
DOMRADIO.DE: Also würden Sie sagen, bei den Lissabonnerinnen und Lissabonnern überwiegt derzeit eher die Skepsis als die Freude mit Blick auf dieses Großevent in ihrer Stadt?
Weise: Aktuell ja, auch was die Unterbringung betrifft. Hotelpreise oder Ferienwohnungen sind in Lissabon sowieso schon sehr teuer, was zu sehr hohen Preisen auf dem gesamten Mietmarkt führt. Jetzt schnellen sie noch mehr in die Höhe. Außerdem ist die Stadt sehr eng, relativ klein, dicht bebaut. Irgendwie kann sich keiner so richtig vorstellen wie anderthalb Millionen Menschen in diese Stadt passen sollen.
Das war der Bevölkerung nicht wirklich klar beziehungsweise es wurde nicht gut kommuniziert. Durch diese Skandale ist es nun ins Bewusstsein gerückt, aber leider auch sehr negativ. Ich bin sehr gespannt, wie sich das weiterentwickelt.
Jetzt gerade setzt sich der Bürgermeister mit der Kirche und auch mit Regierungsmitgliedern zusammen, um diese Preispolitik noch mal anzugehen und da auch für mehr Transparenz zu sorgen.
DOMRADIO.DE: Sie kennen Lissabon sehr gut. Als wie katholisch nehmen Sie denn diese Stadt heute war?
Weise: Nicht nur Lissabon ist katholisch, auch Portugal ist ein sehr katholisches Land. Das bedeutet, dass der Katholizismus, die Religion insgesamt eine große Rolle spielt, auch im Alltag der Menschen.
Die Kirchen werden zwar wie bei uns in Deutschland langsam immer leerer, aber gehören immer noch zum Alltag dazu. Die Menschen lassen ihre Kinder taufen. Sie gehen sonntags in die Messe. Vielen portugiesische Familien treffen sich nach der Messe zum Mittagessen zusammen mit Eltern, Großeltern, Geschwistern, oft auch Tanten, Onkel, Cousinen, Cousins - und das jeden Sonntag.
Weil die Kirche im Alltag verankert ist, wird der Weltjugendtag an sich auch positiv wahrgenommen. Sie freuen sich auch darauf. Aber sie sind sehr skeptisch, was die Organisation und Durchführung angeht.
DOMRADIO.DE: Freuen Sie sich denn ganz persönlich auf den Weltjugendtag in Lissabon, der Stadt, in der Sie wohnen?
Weise: Ich muss zugeben, dass ich gespannt bin, wie das hier durchgesetzt wird, auch was die Infrastruktur angeht, weil ich selbst im Alltag manchmal daran scheitere (lacht). Ich freue mich aber darauf, dass auch so viele junge Menschen herkommen und dass gerade Portugal auch noch einmal mehr in den Mittelpunkt rückt - in einer anderen Weise als "nur" durch den Tourismus. Das finde ich besonders schön.
Das Interview führte Moritz Dege.