Das schreibt der litauische Publizist Donatas Puslys in einem Gastbeitrag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Donnerstag). Der Zustand Europas und seiner Gesellschaften zeige sich heute "nicht in den von der Unesco geschützten Altstädten, den glänzenden Einkaufszentren, sondern daran, wie wir es schaffen, uns um die verletzlichsten Mitglieder der Gesellschaft zu kümmern und sie zu verstehen", so Puslys weiter. Angesichts "all der uns trennenden Dinge" in Europa könne man "nur auf der Grundlage gemeinsamer Werte Empathie für andere, Mitgefühl mit den Leidenden und Bedürftigen" entwickeln.
Es gelte danach zu streben, gegenseitigen Hass unmöglich zu machen und zu verhindern, dass "totalitäre Ideologien zurückkehren und herrschen", fordert der Publizist. Es gebe zwar "immer die Versuchung zu sagen: Warum sollten wir uns an den höchsten moralischen Normen messen, wenn andere gleich nebenan sich nicht daran halten?" Aber Moral bleibe "nur dann absolut, wenn sie nicht berechnend ist, solange wir vor allem auf uns selbst und nicht auf die anderen schauen".
75. Jahrestag der Liquidierung des jüdischen Ghettos von Vilnius
Vom Papstbesuch sei nicht zu erwarten, "dass er die Punkte auf jedes i setzt. Das müssen wir selbst machen", schreibt Puslys. Aber die Mission des Papstes könne Ansporn geben "auf dem Weg der Wahrheitssuche, der Buße, des Mitleids und der Versöhnung, auf dem wir nur zusammen gehen können".
Der Papstbesuch in Litauen am Wochenende fällt auf den 75. Jahrestag der Liquidierung des jüdischen Ghettos von Vilnius. An diesem Tag gedenken die Litauer des im Holocausts ermordeten litauischen Juden. Um 1900 stellten die Juden in Vilnius rund 40 Prozent der Bevölkerung, die Litauer dagegen nur 2 Prozent. Im Zweiten Weltkrieg flüchteten die Juden oder wurden ermordet; alle Polen wurden vertrieben. Vilnius wurde danach von Litauern und Russen quasi komplett neu besiedelt.
Franziskus betet am Sonntag (23. September) am Denkmal für die Opfer des jüdischen Ghettos. Danach fährt er weiter zum Museum der Besatzung und des Freiheitskampfes, auch "Museum der Opfer des Genozids".