domradio.de: Wo waren Sie gestern, als vor dem Parlament die Schüsse gefallen sind?
Stephan Arnold (Diakon der deutschsprachigen katholischen Gemeinde Sankt Bonfiatius in London): Wir waren in der Stadt, in der Nähe, aber nicht direkt dabei. Ich habe von dem Anschlag dann eigentlich erst zu Hause erfahren, als meine Tochter nachfragte, ob es uns denn gut ginge. Danach habe ich mich natürlich über alles informiert.
domradio.de: Was ging Ihnen da durch den Kopf?
Arnold: Wenn man so will, war es eine Mischung aus Zaudern und Zuversicht. Man hat damit gerechnet, dass irgendwann etwas passieren kann. Wenn man in einer Stadt wie London lebt, kann es immer sein, dass sowas vorkommt - so schlimm es auch ist.
Das andere ist eben, dass man sich fragt: Bist Du ab jetzt vorsichtiger, willst Du noch hier leben? Das ist immer die Frage, die man sich dann stellt. Aber die Antwort ist: Ja, ich will noch hier leben und ich will mir das auch nicht nehmen lassen. Ich werde auch weiterhin in die Stadt fahren und sicherlich auch demnächst wieder über die Westminster Bridge gehen und auf Big Ben zulaufen. Ich glaube, man muss einfach versuchen, das Leben so weiter zu leben wie immer. Sonst haben die Terroristen schon gewonnen.
domradio.de: Das heißt, sie sind da auf einer Linie mit den Parlamentsmitarbeitern, die sich ja auch heute wieder treffen und sagen: Wir machen jetzt so weiter, wie wir das auch sonst getan hätten?
Arnold: Richtig. Das hat der Major von London ja auch gestern gesagt: Wir dürfen uns nicht in unserem Lebensstil, in dem, was wir für unsere freie Gesellschaft wollen, verunsichern lassen. Denn das ist ja das Ziel, das die Terroristen haben.
domradio.de: Können Sie schon absehen, ob am Sonntag in der Predigt dieser Anschlag eine Rolle spielen wird?
Arnold: Das wird mit Sicherheit vorkommen, weil es so üblich ist, dass wir die aktuellen Dinge auch aufgreifen - dafür haben wir am Sonntag einen guten Mann da. Er ist ein über 80-jähriger Priester, der ursprünglich aus Wien kommt und mit einer der letzten Kinderlandverschickungen hier nach London kam, dann hiergeblieben ist und jetzt seit über 80 Jahren hier lebt. Er hat in seinem Leben sicherlich mehr an Gefahr erlebt, als wir uns das vorstellen können. Und er wird das Thema bestimmt in seiner Predigt gut aufgreifen.
domradio.de: Und vielleicht kann er auch Zuversicht verbreiten bei den Leuten, mit der Gefahr umzugehen, die ja mittlerweile allgegenwärtig zu sein scheint.
Arnold: Ja, sicher - aber das ist hier so. Wenn Sie ins Auto steigen und auf den Autobahnring fahren, passieren da auch jeden Tag Unfälle. Und trotzdem fahren alle immer wieder Auto. Wir leben mit Gefahren in vielen Bereichen - auch jetzt mit der Terrorgefahr. Und dennoch lassen wir uns nicht davon abbringen, das zu tun, was wir tun wollen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.