Lügde erwartet bis zu 30.000 Besucher zum Osterräderlauf

Eine ganz besondere Tradition

Ostern ist es wieder so weit: Sechs brennende Osterräder rollen in Lügde von einem Berg. In diesem Jahr feiert der Ausrichter, der Dechenverein, zudem noch seinen 100. Geburtstag. Was hat es mit dieser Tradition an Ostern auf sich?

Autor/in:
Andreas Otto
Mitglieder des Dechenvereins in Lüdge präpariert die Holzräder für den traditionellen "Osterräderlauf"  (shutterstock)
Mitglieder des Dechenvereins in Lüdge präpariert die Holzräder für den traditionellen "Osterräderlauf" / ( shutterstock )

Wenn sich am Ostersonntag über Lügde das Abenddunkel gelegt hat, startet in der Kleinstadt im Naturpark Teutoburger Wald wieder ein jahrhundertealter Brauch: Sechs Holzräder - mit brennendem Stroh bestückt - rollen nach und nach vom Osterberg ins Tal der Emmer. Begleitet vom Applaus der Zuschauer rasen sie mit 60 Stundenkilometern in die Tiefe, sprühen Funken und ziehen eine mehrere Meter breite Feuerspur hinter sich her.

Heidnisch-germanische Ursprünge

Die Ursprünge des Osterräderlaufs reichen vermutlich weit zurück. Als Vorläufer gelten heidnisch-germanische Feuerrituale zu Ehren der Frühlingsgöttin Ostara. Sie sollten den Winter vertreiben und eine gute Ernte bewirken. Nach der Überlieferung hat Karl der Große (747/48-814) die Feuerräder schließlich zu einem christlichen Brauch gemacht, der an die Auferstehung Christi erinnert. Früher war das eine weit verbreitete Tradition, die sich hierzulande aber nur noch in Lügde erhalten hat.

Karl der Große in der Domschatzkammer Aachen / © Alexander Rüsche (dpa)
Karl der Große in der Domschatzkammer Aachen / © Alexander Rüsche ( dpa )

In diesem Jahr verbindet sich mit dem Brauchtum ein Jubiläum. Der sogenannte Dechenverein, der den Osterräderlauf organisiert, wird 100 Jahre alt. In den Jahrhunderten davor hatten Handwerkerzünfte das Brauchtum gepflegt, das nun von den heute rund 600 Mitgliedern des Dechenvereins fortgeführt wird. Zum Jubiläum soll es die eine oder andere Überraschung geben, mehr wird nicht verraten.

Lange Vorbereitungen

Die Vereinsmitglieder beginnen schon lange vor dem eigentlichen Schauspiel mit den Vorbereitungen. Einige Tage vor Ostern müssen die 270 Kilo schweren Holzräder in den kleinen Fluss Emmer gelegt und gewässert werden, damit sie bei dem Spektakel nicht selbst Feuer fangen.

Ostersonntag startet am Mittag ein Umzug durch die Stadt. Ein Traktor schleppt die schweren Räder auf den Osterberg, gefolgt von einem von Kaltblütern gezogenen Leiterwagen mit dem Stroh. Begleitet werden die Dechen von einer Musikkapelle. Oben angekommen, geht die eigentliche Arbeit los. Fünf bis sechs Stunden dauert es, bis alle Räder mit Stroh gespickt sind. Damit das Brennmaterial bei der rasanten Fahrt ins Tal nicht aus den Rädern rutscht, wird besonders langes Roggen-Stroh verwendet, das eigens für das Brauchtum angebaut wird.

Die Organisatoren befestigen das Stroh mit Tage zuvor gedrehten Haselnussruten an den Radspeichen. "Handwerkliches Geschick muss man schon mitbringen, wenn man Deche werden will", erklärt Deche Andre Kleine. "Wenn wir das Stroh zu lose stopfen, fällt es beim Springen der Räder heraus. Stopfen wir es zu fest, dann besteht die Gefahr, dass die Räder aufbrennen."

Osterräder brennen wieder in Lügde

Auch in diesem Jahr findet zu Ostern wieder der traditionelle Osterräderlauf im lippischen Lügde statt. Am Ostersonntag werden ab 21 Uhr die Räder in Brand gesetzt und ins Rollen gebracht, wie der Osterdechenverein als Veranstalter am Dienstag mitteilte. Zuvor gibt es ab 13 Uhr ein Konzert des Blasorchesters am Marktplatz. Es folgt ein Unterhaltungsprogramm im Emmerauenpark.

Blick auf Lüdge, Ort des traditionellen Osterräderlaufs (shutterstock)
Blick auf Lüdge, Ort des traditionellen Osterräderlaufs / ( shutterstock )

Immaterielles Kulturerbe

Vor fünf Jahren wurde der Osterräderlauf in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Für die Stadt Lügde, die vor wenigen Jahren wegen der Missbrauchsfälle auf dem ortseigenen Campingplatz auf unrühmliche Weise in die Schlagzeilen geraten war, ein bedeutender Imagegewinn. Die Experten überzeugte nicht nur die wissenschaftliche Erforschung der Brauchtumshistorie. Auch die differenzierte Reflexion des Osterräder-Geschehens zur Zeit des Nationalsozialismus beeindruckte die Fachleute.

Damals - 1934 - übernahm die NSDAP die Ausrichtung des Osterräderlaufs, um das Fest für die eigene Propaganda zu instrumentalisieren. Bei einer "Tausendjahrfeier" ließ die Partei sieben Räder den Osterberg hinab und ein riesiges Hakenkreuz aufleuchten. Was nicht unwidersprochen blieb. Im Jahr darauf setzten rund zwei Dutzend Bürger ein Zeichen gegen die Vereinnahmung des Brauchtums, indem sie im Sommer ein zehn Meter hohes Kreuz auf dem Osterberg errichteten.

Das Engagement des Ortes für das Brauchtum hat für den Vorsitzenden des Dechenvereins, Uwe Stumpe, Seltenheitswert. Während mancherorts über mangelndes Ehrenamt geklagt wird, machen viele Lügder hier generationsübergreifend mit. "Sie müssen nicht bitten, sie müssen die Leute nur angucken", so der Oberdeche.

"Ein kleines Wirtschaftsunternehmen"

Den Osterräderlauf mit Kirmes, Bauernmarkt und Kinderanimation nennt Stumpe "ein kleines Wirtschaftsunternehmen". Aber der religiöse Aspekt komme auch nicht zu kurz, betont er. Jedes Mal wenn die Dechen ein brennendes Rad mit langen Stangen Richtung Tal schubsen, erklingt aus einer Kanone ein Böllerschuss.

Wenn dann ein Feuerreifen - vollbepackt kommt er auf 440 Kilo - nach seinem Holperweg über Grasnaben und Maulwurfshügel unten angekommen ist, erklingen die Kirchenglocken der Pfarrkirche Sankt Marien, erklärt Stumpe: "Der Osterräderlauf hat schon was mit Glaube und Kirche zu tun."

Quelle:
KNA