DOMRADIO.DE: Als erste Frau an der Spitze der schwedischen Lutheraner sind Sie Jorge Mario Bergoglio als neuem Papst begegnet. Was sind Ihre persönlichen Eindrücke von ihm gewesen?
Antje Jackelén (Emeritierte Erzbischöfin von Uppsala): Die sind sehr positiv, er hat mich immer respektvoll empfangen. Wir haben uns gut verstanden. Es war ein Treffen voller Sinn und Echtheit. Uns hat die Überzeugung verbunden, wenn wir im Evangelium fest verankert sind, dann können wir auch sehr offen sein für die Nöte der Welt.
DOMRADIO.DE: Sie haben gemeinsam in Lund 2016 das Jahr zum Reformationsgedenken eröffnet. Zu diesem Anlass haben Sie gesagt, dass es nicht darum gehe, die Institutionen zu verschmelzen und die eine Kirche zur anderen zu bekehren. Worum geht es bei dem Gedanken der Ökumene dann?
Jackelén: Beim Gedanken der Ökumene geht es darum, dass wir gemeinsam das Evangelium im Dienst der Welt verkünden. Das war sehr bewegend, als sich Papst Franziskus und die Leitung des Lutherischen Weltbundes 2016 in Lund getroffen haben. Zum Reformationsgedenken ist 2017 die Schrift "Vom Konflikt zur Gemeinschaft" entstanden, in der man sich verpflichtet, gemeinsam das Evangelium zu bezeugen.
Wir leben in einer Zeit, in der alle Zweige der Kirche sprichwörtlich im selben Boot sitzen. Gibt es einen Skandal in der katholischen Kirche, dann leiden auch die anderen Konfessionen. Gibt es einen Skandal in der lutherischen Kirche, so leiden auch die katholische Kirchen. Im Umkehrschluss bedeutet das natürlich auch, wenn etwas Gutes passiert, dann profitieren alle davon.
DOMRADIO.DE: Was hat Franziskus Ihrer Meinung nach in der Ökumene in diesen zehn Jahren erreicht?
Jackelén: Es war schon eine starke Handlung von ihm, dass er 2016 in Lund dabei war und so deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass wir einerseits die Dankbarkeit für das Evangelium gemeinsam tragen.
Andererseits hat er den Schmerz und die Reue zum Ausdruck gebracht, die die Folgen der Reformation für viele Menschen beinhaltet hat.
Und dass der Papst das Reformationsgedenken als Christusfest beging, hat meiner Meinung nach bleibend etwas verändert.
DOMRADIO.DE: Trotzdem steht das gemeinsame Abendmahl noch aus, sehen Sie das noch kommen?
Jackelén: Ich denke, das muss früher oder später kommen. Nach Lund 2016 kann man sagen, dass der theologische Dialog abgebremst hat. Es geht nicht mehr so gut, wie wir das eigentlich möchten. Dennoch werden Fortschritte in der gemeinsamen Arbeit, beispielsweise zwischen Caritas International und dem lutherischen World Service gemacht.
Wir als christliche Kirchen müssen da sein, wo der "Sensus Fidelium" ist, also da, wo die Gläubigen ihr Herz haben. Dort sehe ich auch große Chancen für mehr Gemeinsames, auch beim Thema Abendmahl.
Als der Papst die lutherische Kirche in Rom besucht hat, brachte er der Gemeinde einen Abendmahlskelch mit und hat bei der Gelegenheit davon gesprochen, dass das gemeinsame Abendmahl nicht die Belohnung für eine Einheit ist, die von den Menschen geschaffen wird, sondern das Abendmahl ist ein Gnadenmittel, das Gott uns als "Wegkost" und "Wegzehrung" mitgibt. Meines Erachtens sind da schon Öffnungen drin für ein gemeinsames Verständnis.
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie dem Papst anlässlich seines zehnjährigen Jubiläums für den weiteren Lebensweg?
Jackelén: Gute Gesundheit natürlich, wenig Schmerzen, kluge Ratgeber, Mut und natürlich Gottes Segen.
Das Interview führte Katharina Geiger.