DOMRADIO.DE: Wie ist denn die Stimmung in Ihrer Gemeinde nach drei Wochen Corona-Ausnahmezustand?
Peter Otten (Pastoralreferent in der Katholischen Pfarrgemeinde St. Agnes in Köln): Es hat sich eine gewisse Normalität eingespielt. Wir haben unsere Kirchen geöffnet: die Agnes Kirche zum Beispiel zwölf Stunden am Tag. Wir haben ein Gebetsteppich ausgelegt. Da haben Kinder, nicht nur Kommunionkinder, inzwischen viele, viele Bilder und Gebete abgelegt. Die Menschen rollen kleine Zettel mit Gebeten zusammen und stecken sie in Steine, die wir aufgestellt haben. Auch die Osterkerze steht. Es ist ein Kommen und Gehen. Es gibt viele Gespräche. Letzten Sonntag habe ich allein von 11 Uhr bis 15:30 Uhr pausenlos Gespräche geführt mit Leuten, die in die Kirche kamen. Es ist ein sehr intensiver Kontakt. Es ist ein anderer Kontakt. Aber es war irgendwie auch eine gute und erfüllte Zeit bisher. Das kann ich nicht anders sagen.
DOMRADIO.DE: Sie haben also schon viel unternommen, um die enttäuschten Kommunionkinder und auch Ihre Eltern zu begleiten. Haben Sie geschafft, die Enttäuschung aufzufangen?
Otten: Man muss irgendwie kreativ sein. Ich glaube, das ist uns gelungen. Wir haben wöchentlich Post verschickt: Päckchen, kleinere und größere Briefe. Wir haben zu Ostern Tüten fertig gemacht mit Ostergaben, Osterkerze, einem Buch – und die haben die Katechetinnen und Katecheten den Kindern persönlich vorbeigebracht. Gestern habe ich noch Post aufgegeben mit diesen tollen Samentütchen vom Bistum. Ich habe den Kindern gesagt: "Wenn ihr am Sonntag was macht, dann macht was Schönes, was Weißes, was Strahlendes." So haben wir versucht, in Kontakt zu bleiben. Wir haben telefoniert, die Eltern auf der Straße angesprochen und gemailt. Da war, glaube ich, ein sehr intensiver und schöner Kontakt. Die Kinder sind natürlich enttäuscht, die Eltern sind enttäuscht. Auf der anderen Seite war für sie eine Feier ohne Großeltern, Großonkel etc. völlig unvorstellbar. Jetzt freuen sie sich darauf, dass es irgendwann eine große Feier gibt. Mal sehen in welchem Rahmen.
DOMRADIO.DE: Wird die Erstkommunion denn irgendwie nachgeholt?
Otten: Wir gehen ja davon aus, dass in den nächsten Tagen aus den Gesprächen mit Kardinal Woelki und der Staatskanzlei irgendwelche Entscheidungen folgen werden. Dann müssen wir uns die angucken und werden sehen, was das auch für die Feier der Erstkommunion bedeutet. Das ist immer eine große Feier mit 700, 800, 900 Menschen. Da müssen wir sehen, wie das geht.
DOMRADIO.DE: Im Erzbistum Köln läuten im Moment jeden Abend um 19:30 Uhr die Glocken – als Zeichen der Solidarität mit allen, die von der Coronakrise betroffen sind. Ein Zeichen dafür, dass alle gemeinsam miteinander beten. Bei Ihnen gibt es aber auch noch eine andere Solidaritätsaktion jeden Abend 21:30 Uhr. Was hat es damit auf sich?
Otten: Ich finde, es ist eine große Aufgabe, über Symbole nachzudenken, die Gemeinschaft stiften – auch über die Vereinzelung hinaus. Die sollen auch Menschen mitbekommen, die jetzt nicht so fromm jeden Sonntag zur Kirche gekommen sind. Da haben wir eine alte Idee umgesetzt und eine Lichtinstallation in den Abendstunden gebaut: rote Lampen, die so berechnet sind, dass sie draußen wie ein Pulsschlag wahrgenommen werden – wie ein Herzschlag. In der Osternacht mit dem Halb-Zehn-Läuten ist dieses Herz angegangen. Dann kam um viertel vor zehn auch noch ein Bläser-Quintett dazu und hat ein bisschen Musik gemacht. Das Herz schlägt jetzt noch bis am Weißen Sonntag um ein Uhr nachts: jeden Abend von 20:00 Uhr bis 01:00 Uhr. Es soll so natürlich, die Nachricht senden: Das Leben geht weiter. Das Leben siegt. Dieser ruhige Pulsschlag von 45 Schlägen pro Minute, zumindest ist das meine Wahrnehmung, soll ein bisschen dabei helfen, runterzukommen und Ruhe zu bewahren. Ich glaube, das wird im Viertel auch so wahrgenommen und geschätzt. Das war uns wichtig: nicht als exklusiver Verein dazu stehen, sondern auch Zeichen und Aktionen ins Viertel hinein zu machen.
Das Interview führte Katharina Geiger.