Machtkampf im Libanon: Regierungsbildung verzögert sich weiter

 (DR)

Trotz der schweren Wirtschaftskrise und den Folgen der Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut verzögert sich die Regierungsbildung im Libanon weiter. Der designierte Premier Mustafa Adib räumte Schwierigkeiten bei der Besetzung der Ministerposten ein. Er habe mit Präsident Michel Aoun vereinbart, dass er mehr Zeit bekomme, sagte Adib nach einem Treffen mit dem Staatschef vor Journalisten. Er zähle auf die Kooperation aller.

Libanons Regierung hatte nach der Explosionskatastrophe am 4. August mit mehr als 190 Toten und mehr als 6000 Verletzten ihren Rücktritt erklärt. Präsident Aoun beauftragte danach den 48 Jahre alten Adib mit der Regierungsbildung. Er war bisher Botschafter in Deutschland.

Wegen der Wirtschaftskrise steht Adib bei der Regierungsbildung unter Zeitdruck. Es war bereits eine Frist von 15 Tagen abgelaufen, die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den libanesischen Parteien für die Regierungsbildung gegeben hatte. Paris will dem Land dringend benötigte Hilfe geben, fordert aber im Gegenzug weitreichende Reformen etwa im Kampf gegen die Korruption.

Viele Regierungsposten im Libanon werden nach einem Proporzsystem unter den verschiedenen Konfessionen vergeben. Libanesischen Medien zufolge beharren die schiitische Amal-Bewegung und ihre Verbündeten, darunter die Hisbollah, darauf, dass das Amt des Finanzministers weiter von einem Schiiten besetzt wird. Adib will Schlüsselressorts an Experten vergeben und keine Rücksicht auf Konfessionen nehmen.

Der Libanon leidet seit Monaten unter einer der schwersten Wirtschaftskrisen seiner Geschichte. Die Corona-Pandemie und die Explosion in Beirut haben die Lage weiter verschärft. (dpa/17.09.2020)