DOMRADIO.DE: Unter dem Motto "Warum Kirche? Katholische Männerarbeit heute zwischen Selbstoptimierung und Glaubensgemeinschaft" tagt gerade die Bundeskonferenz der kirchlichen Beauftragten für Männerseelsorge in Dresden. Wer optimiert da wen und was ist vielleicht problematisch daran?
Dr. Andreas Heek (Leiter der Kirchlichen Arbeitsstelle für Männerseelsorge und Männerarbeit in den deutschen Diözesen, Einrichtung der Deutschen Bischofskonferenz): Wir als Männerseelsorger beobachten generell in der Gesellschaft, dass viele alleine unterwegs sind und irgendwie versuchen einen Reim darauf zu machen, was ihr Leben und ihre Sinnsuche angeht. Das trifft besonders auf Männer zu.
Auf dieser Suche begegnen sie manchmal zufällig, manchmal aber auch beabsichtigt Angeboten, die in 16 Diözesen Deutschlands gemacht werden. Männerseelsorge sorgt dafür, dass Männer sich vergemeinschaften, dass sie sich treffen und dass sie sich austauschen können.
DOMRADIO.DE: Männer suchen sich in der Glaubensgemeinschaft also hauptsächlich Gleichgesinnte?
Heek: Ja, sie suchen die Gleichgesinnten, die ähnliche Fragen wie sie selbst haben. Die Glaubensgemeinschaft wird dort begründet, wo sie sich treffen, wie sie sich treffen und auch wie nah sie sich einander kommen. Dann wird eine Gemeinschaft erlebt.
Wenn sie in dieser Gemeinschaft Sinn erfahren können und feststellen, dass andere mithelfen das Leben zu deuten, entsteht so etwas wie eine Gesinnungsgemeinschaft, eine Glaubensgemeinschaft und so etwas wie Glück.
DOMRADIO.DE: Katholische Frauen leiden oft daran, dass sie von Weiheämtern und damit von Entscheidungspositionen ausgeschlossen werden. Woran leiden katholische Männer am meisten, wenn es um ihre Kirche geht?
Heek: Daran leiden Männer in der Kirche auch, denn Laienmänner werden dafür mitverantwortlich gemacht, dass es immer noch keine echte Leitungspositionen für Frauen in der Kirche gibt. Wir arbeiten mit den Frauen zusammen daran, dass die Männer, für die wir uns einsetzen, ein bisschen aus der Schusslinie geraten. Denn wir als Männer werden auch immer für die Struktur der Kirche mit haftbar gemacht. Wir setzen uns dafür ein, weil die Menschen, auch die Männer daran leiden.
Oft kommt es nicht dazu, dass Männerseelsorge stattfindet, weil man sagt, das braucht man nicht. Die Männer spielen sowieso schon so eine große Rolle in der Kirche. Es bereitet uns Sorge, dass wir als Seelsorgeangebot hinten runterfallen.
DOMRADIO.DE: Man erlebt gerade in Europa ein Revival rechter Kräfte und damit auch traditionalistischer Rollenbilder. Spiegelt sich das auch in Ihrer Arbeit wieder?
Heek: Mir persönlich ist das noch nicht begegnet, dass wir solche Männer in der Seelsorge haben. Aber es ist nun mal eine statistische Tatsache, dass Männer auch in diese Tendenz hineinkommen können.
Unsere Arbeit ist aber eine Arbeit, die genau diese Bilder dekonstruieren will, die dazu führen, dass Männer wieder für Krieg und für missbräuchliches Handeln missbraucht werden. Es ist eine unserer Leidenschaften daran mitzuwirken, dass in der katholischen Männerarbeit insofern Bildungsarbeit gemacht wird, dass Männer aufgeweckt werden und sich nicht von diesen Wutgefühlen treiben lassen, die sich in manchen Kreisen breitmacht.
DOMRADIO.DE: Gerade Jungen oder auch junge Männer sind heute oft verunsichert, weil sie mit ganz gegensätzlichen Männlichkeitsmodellen konfrontiert sind und sich schwertun, ihre Rolle zu finden. Wie begegnen Sie diesem Dilemma in der Männerseelsorge?
Heek: Es gibt ein größeres Projekt, was in fast allen Diözesen stattfindet. Das ist die Väter-Kinder-Arbeit. Wir versuchen jüngere Männer mit ihren Kindern dazu zu bewegen, sich mit uns und anderen Männern auszutauschen. Dies gelingt auch.
Wir werden diese Angebote immer machen, damit jüngere Männer in diesem Erwartungsdruck, ein guter Vater zu sein und gleichzeitig auch ein Stück weit den Großteil des Familieneinkommens zu erwirtschaften, bestehen können.
Das ist eine unserer wichtigsten Aufgaben, dass Männer in dieser Welt, in die sie gestellt sind und in der sie nicht auf uralte Männerbilder zurückgreifen können, ankommen.
Das Interview führte Tobias Fricke.