Maialtar in Maria Lyskirchen wird zum Friedensaltar

"Maria ist nicht niedlich"

Die Kölner Gemeinde Sankt Maria in Lyskirchen setzt in diesem Jahr mit ihrem Maialtar einen besonderen Akzent. Als Friedensaltar soll er an all die erinnern, die weltweit durch Kriege leiden, betont Gemeindemitglied Benjamin Marx.

Maialtar in Sankt Maris in Lyskirchen / © Benjamin Marx (Sankt Maria in Lyskirchen)
Maialtar in Sankt Maris in Lyskirchen / © Benjamin Marx ( )

DOMRADIO.DE: Einen Maialtar haben Sie jedes Jahr in Sankt Maria in Lyskirchen. In diesem Jahr wird dieser Maialtar zum Friedensaltar. 

Benjamin Marx / © Beatrice Tomasetti (DR)
Benjamin Marx / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Benjamin Marx (Kölner Gemeinde Sankt Maria in Lyskirchen): Der Gedanke, dass der Maialtar ein Friedensaltar ist, ist eigentlich ein alter Gedanke. Bereits Papst Pius XII. hat während des Zweiten Weltkriegs die Gläubigen dazu aufgerufen, an den Maialtären insbesondere für den Frieden auf dieser Erde zu beten. Das ist auch sehr befolgt worden.

DOMRADIO.DE: Inwieweit hat der Altar denn auch jetzt mit dem Krieg gegen die Ukraine zu tun? Unterstreicht das nochmal den Wunsch nach Frieden? 

Benjamin Marx, Gemeinde Sankt Maria Lyskirchen

"Das Schicksal so vieler Menschen auf dieser Welt wird nicht mehr wahrgenommen. Deshalb brennt auch am Maialtar eine Kerze, die im Stacheldraht steht."

Marx: Mit dem Krieg in der Ukraine ist ja der Krieg wieder nach Europa zurückgekommen. Aber es gab die ganze Zeit die sogenannten vergessenen Kriege im Jemen, in Syrien, in Mali, im Sudan. Auch da haben Menschen sehr unter den Kriegsfolgen gelitten. Wir nehmen den Krieg jetzt erst wahr, nachdem er wieder in Europa zurück ist. Die Schlagzeilen dominieren momentan Energiekrise und Flüchtlingskrise. Aber das Schicksal so vieler Menschen auf dieser Welt wird nicht mehr wahrgenommen. Deshalb brennt auch am Maialtar eine Kerze, die im Stacheldraht steht.

Maialtar in Sankt Maria in Lyskirchen / © Benjamin Marx (Sankt Maria in Lyskirchen)
Maialtar in Sankt Maria in Lyskirchen / © Benjamin Marx ( )

Das Gebet, das am Maialtar zu sehen ist, ist ein Text von Gertrud von le Fort, die als Protestantin geboren wurde, 1926 zum katholischen Glauben übergetreten ist, zuvor aber evangelische Theologie studiert hat. Sie hat 1924, in der Rückbetrachtung des Ersten Weltkrieges, dieses beeindruckende Gebet geschrieben, die Litanei an die Königin des Friedens, in dem sie auf die Not vieler Menschen aufmerksam macht. Wenn man jede Zeile für sich liest, wird an viele Opfer gedacht, auch an missbrauchte Frauen, die es in dieser Zeit schon gegeben hat. Aber ihr Gebet ist hoffnungsvoll. Es steht auch der Satz drin: Ostern wird es werden für den toten Frieden. Und deshalb steht neben dem Banner ein blühender Apfelbaum.

Ich finde diesen Text von Gertrud von le Fort, obwohl sie ihn 1924 geschrieben hat, heute noch aktueller denn je. Jede Zeile für sich ist sehr eindrücklich und erinnert an das Leid vieler Menschen durch Krieg und das, was Menschen Menschen antun können. Sie hat ihr Gebet in die Hoffnung der Auferstehung Jesu gestellt und sie hofft auch, dass der Frieden wieder auferstehen kann. 

DOMRADIO.DE: Warum finden Sie Ihre Worte so passend in diesem Moment? 

Marx: Der Krieg ist durch den Ukrainekonflikt nach Europa zurückgekehrt. Jeden Donnerstag findet am Nachmittag die Tafel in Lyskirchen statt. In der Kirche, in diesem romanischen Bau, wird Essen ausgegeben, das die Wohlstandsgesellschaft nicht mehr haben will. Die ehrenamtlichen Helfer reinigen das Essen, putzen es, sie stellen es wertschätzend anderen Menschen zur Verfügung. Es kommen bis zu 100 Menschen jeden Donnerstagnachmittag in die Straße, gehen zur Kirche und holen sich das ab, um zu leben. Und das sind zumeist ukrainische Flüchtlinge. Beeindruckend ist auch, dass bei den ehrenamtlichen Helfern syrische Frauen mithelfen und die Lebensmittel ausgeben, die selbst vor dem Krieg in Syrien geflohen sind. 

Benjamin Marx, Gemeinde Sankt Maria Lyskirchen

"Maria ist eine Frau, die Leid miterlebt hat. Sie bekam ihren toten Sohn, der vor ihren Augen gefoltert und getötet wurde, in den Arm gelegt. Und sie kann sicherlich das verstehen, was Menschen in diesem Gebet lesen."

DOMRADIO.DE: Der Altar in Sankt Maria in Lyskirchen steht jetzt schon seit einigen Tagen. Haben Sie schon Rückmeldung bekommen? 

Marx: Er wird sehr eindrücklich von den Menschen wahrgenommen. Es gibt Menschen, die sagen, so hätten sie einen Maialtar noch nicht gesehen. Dass ein Maialtar auch einen Akzent setzt, über die Dinge weiter nachzudenken und nicht nur einfach ein üppiger Schmuck für eine Madonna ist. Die Kultur des Maialtares ist ja noch gar nicht so alt in der christlichen Geschichte. Erst der Barock hat den Maialtar nach vorne gebracht als Volksfrömmigkeit. Die erste Andacht fand 1795 in Ferrara statt. Es ist also ein relativ junger Brauch, Maialtäre aufzubauen. Und Maria ist nicht niedlich. Maria ist eine Frau, die Leid miterlebt hat. Sie bekam ihren toten Sohn, der vor ihren Augen gefoltert und getötet wurde, in den Arm gelegt. Und sie kann sicherlich das verstehen, was Menschen in diesem Gebet lesen. 

DOMRADIO.DE: Dennoch ist es ungewöhnlich, so einen Akzent zu setzen. Bekommen Sie auch negative Reaktionen darauf?

Marx: Nein. Der Maialtar wird sehr positiv angenommen. Ich habe keine negativen Reaktionen erlebt. Ich mache den Maialtar in Lyskirchen seit über 30 Jahren. In der Vergangenheit war er eher barock, überschwänglich - es ging um die Natur im Frühling, um neues Leben. Es gab viele Blumen und oder ein "Gegrüßet seist du, Maria" auf Kölsch. Das sollte zeigen: Maria ist volkstümlich. Maria ist eine von euch. Und in diesem Jahr ist der Akzent ein ganz anderer.

Das Interview führte Dagmar Peters. 

Stichwort Marienmonat

Der Mai ist der wichtigste "Marienmonat" des Kirchenjahres. In der christlichen Spiritualität wird die "Gottesgebärerin" auch als ein Sinnbild für die Fruchtbarkeit und Lebenskraft des Frühlings verstanden. Das zeigt sich auch darin, dass auf der Südhalbkugel der Marienmonat nicht im Mai, sondern im dortigen Frühlingsmonat November gefeiert wird. (kna)

Marienmonat Mai hat begonnen / © Kobby Dagan (shutterstock)
Marienmonat Mai hat begonnen / © Kobby Dagan ( shutterstock )
Quelle:
DR