Glaubt man den Umfragen, werden die Wahlen denkbar knapp ausgehen. Umso mehr mobilisieren Regierung und Opposition in Malaysia ihre Wähler. Die Anhänger der regierenden Koalition "Nationale Front" jubeln. Sie tragen T-Shirts und halten Transparente hoch, auf denen steht: "Ich liebe den Premier". Najib Razak, der Regierungschef seit 2009, der im Amt bleiben möchte, ruft: "Wenn ihr sagt, ihr liebt mich, dann wählt unsere Kandidaten." Zur Stimmung im Vielvölkerstaat sagt der 59-Jährige: "Wir brauchen keinen Wechsel der Regierung, wir selbst sorgen für den Wechsel."
Auf den Wunsch nach echtem Wandel setzt dagegen die Opposition, wenn am 5. Mai ein neues Parlament gewählt wird. Das Bündnis "Pakatan Rakyat" (Volksallianz) unter Oppositionschef Anwar Ibrahim geht die Regierenden hart an: "Sie können behaupten, es handele sich um freie und faire Wahlen, wenn Zeitungen und Fernsehen Lügen über uns verbreiten und wir dort weder Sendeminuten bekommen noch werben dürfen?", moniert Anwar (65). "Warum ist das so? Weil wir die Schwungkraft haben, während die Gegenseite verschreckt ist." Der Wahlkampf wurde bereits von Gewalt überschattet.
Christen wandten sich am Freitag gegen Verunglimpfungen im malaysischen Wahlkampf. In einer Stellungnahme warfen Vertreter der christlichen Kirchen in den Borneostaaten Sarawak und Sabah der Regierungspartei Barisan Nasional (BN) religiöse Scheinheiligkeit, Rassismus und Extremismus vor. Man habe die Pflicht und "moralische Verantwortung", sich gegen jede Form der religiösen Bigotterie zu erheben, hieß es. Der lutherische Bischof begrüßt das gewachsene politische Bewusstsein im Land. Inwieweit ein Wechsel der politischen Führung einen nachhaltigen Wandel bedeuten würde, müsste abgewartet werden, sagte Bischof Philip Lok Oi Peng.
Wechselstimmung
In der Bevölkerung herrscht ganz klar Wechselstimmung: Seit 56 Jahren regiert ununterbrochen die "Nationale Front", die von der United Malays National Organisation (UMNO) dominiert wird. Ihr werden Korruption, Vetternwirtschaft und ein autoritärer Führungsstil vorgeworfen. Einen Denkzettel hatte die Regierung bereits 2008 erhalten, als sie ihre jahrzehntelange Zweidrittelmehrheit verlor. Anwar konnte mit seiner Allianz zulegen, die er nach einer politisch motivierten jahrelangen Inhaftierung geschmiedet hatte.
Die gegnerischen Lager setzen jeweils auf populistische Versprechen: So wollen sie die steigenden Lebenshaltungskosten senken, neue Jobs und bessere Einkommen schaffen. Anwar erklärte zudem, er werde der Korruption den Kampf ansagen und der ethnischen und religiösen Diskriminierung einen Riegel vorschieben. Damit spielt Anwar auf ein Ende der Privilegien an, die die Bevölkerungsmehrheit der ethnischen Malaien bei der Vergabe von Jobs und Ausbildungsplätzen genießt.
Die Hardliner in der UMNO begnügen sich nicht damit, die Angehörigen der unterschiedlichen Ethnien und Glaubensrichtungen gegeneinander auszuspielen. Vielmehr sind auch die staatstreuen Medien darauf ausgerichtet, die Vormachtstellung der Regierung zu zementieren. "Doch mit der rasch wachsenden Anzahl von Internetnutzern haben immer mehr Menschen Zugang zu alternativen Informationen", sagt der Karikaturist "Zunar", der wegen seiner kritischen Zeichnungen zwischenzeitlich verhaftet wurde. "Die Vorherrschaft der Nationalen Front ist dabei, zu zersplittern."
Der Achtungserfolg der Opposition 2008 sei ein Weckruf gewesen, sagt Ambiga Sreenevasan. Sie ist Co-Vorsitzende der Protestbewegung "Bersih" (Sauber), die freie und faire Wahlen fordert: "Doch dann ist die Regierung wieder in den üblichen Trott verfallen, denn nicht anders sind die Überreaktionen gegen uns zu erklären." So waren "Bersih"-Massenproteste mit Tränengas und Wasserwerfern auseinandergetrieben worden.
Anwältin Ambiga, die zur indischen Minderheit gehört und hinduistischen Glaubens ist, setzte sich vielfach auch für Religionsfreiheit ein. So wurde sie gar als "Bedrohung für den Islam" gebrandmarkt - unter anderem vom Premier selbst. Ein Machtwechsel scheint greifbar nah, doch viele Malaysier können sich noch nicht vorstellen, dass die Regierungskoalition einen Sieg der Opposition wirklich anerkennen würde.