Während das gesellschaftliche Leben in Zeiten der Corona-Pandemie fast überall heruntergefahren wird, gibt es einen Bereich, dem die Krise nichts anzuhaben scheint und für den die Menschen mehr Zeit haben - das Dating per Internet. Ob mobile Dating-Apps wie Tinder oder klassische Online-Dating-Plattformen wie Parship oder das christliche Portal Himmlisch-Plaudern: Wer online nach dem richtigen Partner sucht, für den ist gerade offenbar eine gute Zeit.
Chatten und telefonieren, wenn treffen nicht geht
Online-Dating sei im Moment effizienter, erklärt die 22 Jahre alte Tinder-Nutzerin Ronja aus Franken. "Man schreibt nicht mehr so ewig hin und her und wartet, bis man mal Zeit hat, sich zu treffen, weil das ohnehin nicht zur Debatte steht." Stattdessen telefoniere oder chatte man früher als sonst - da viele Menschen im Moment mehr Zeit zur Verfügung hätten. So finde man schneller heraus, wen man leiden könne und wen nicht.
Außerdem lasse sich schneller erkennen, wenn jemand gar kein Interesse habe oder man absichtlich ignoriert oder hingehalten werde, so Ronja. Wer nicht antworte, könne das nicht wie sonst mit der Arbeit oder mit Uni-Stress entschuldigen. Aber auch, wenn es dann mit jemandem passt, gilt für Ronja im Moment noch: "Treffen steht zumindest bei meinen Matches nie zur Diskussion."
Flirten - nur digital
Bei mobilen Dating-Apps wie Tinder steht im Gegensatz zu klassischen Online-Dating-Portalen eigentlich ein mögliches Treffen im Fokus. Auch deswegen setzt das Portal auf Lokalität: Mögliche Partner kann man nur im näheren Umkreis suchen. Wegen der Corona-Pandemie musste das US-amerikanische Unternehmen nun umdisponieren und schaltete mit dem sogenannten Passport-Feature eine Funktion frei, bei der Nutzer weltweit nach Partnern suchen können. Diese Funktion erhielten User bislang nur gegen Geld.
Rekordhoch bei Tinder
Das macht sich offenbar bemerkbar: So teilte das Unternehmen auf seiner Website mit, dass am 29. März mehr Menschen in dem Netzwerk aktiv waren als an irgendeinem anderen Tag zuvor in der Tinder-Geschichte. Drei Billionen sogenannte Swipes seien an diesem Tag gezählt worden. Als "Swipe" wird bei der Dating-App das Wischen auf dem Smartphone nach rechts oder links bezeichnet, um einen vorgeschlagenen Kontakt entweder auszusortieren (links) oder kontaktieren zu können (rechts). Insgesamt fänden derzeit 20 Prozent mehr Unterhaltungen statt, und sie dauerten 25 Prozent länger als vor der Corona-Krise.
Auch die Online-Partnervermittlung Parship teilte auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit, dass sie seit Ende März mit Inkrafttreten der erweiterten Kontaktbeschränkungen in Deutschland eine positiven Trend in der Plattform- und Kommunikationsaktivität ihrer Mitglieder habe feststellen können.
Alternative zu analoger Kirche?
Der Gründer und Betreiber der christlichen Singlebörse Himmlisch-Plaudern, Zschöckner, spricht ebenfalls von einem "klar erkennbaren Anstieg der Nutzerzahlen" seit Ende März. Auch Nutzungsdauer und -häufigkeit hätten zugenommen. "Ich merke, dass ganz besonders in der aktuellen Zeit, wo viele kirchliche Angebote nicht stattfinden können, Himmlisch-Plaudern.de Christen eine Möglichkeit bietet, um sich über den Glauben und mit Mitchristen auszutauschen."
Online-Dating erlebt Renaissance
Der Aachener Soziologe Andreas Schmitz rechnet infolge der Corona-Pandemie zumindest kurzfristig mit einer Wiederbelebung des Online-Dating-Marktes. Während das Mobile Dating mit Plattformen wie Tinder in den vergangenen Jahren den Markt dominiert habe, griffen nun Personen entweder erneut oder erstmals auf klassische Online-Dating-Portale wie Parship zurück. Grund: "Das Mobile Dating lebt davon, dass man sich zeitnah begegnet, und das ist Moment nicht mehr opportun."
Beim Online-Dating sei es im Gegensatz zum Mobile-Dating auch schon vor der Corona-Krise üblich gewesen, dass man sich länger austausche und besser kennenlerne - auch über größere Distanzen hinweg. Man spreche etwa über Tagesabläufe oder persönliche Dinge. "Es ist nicht nur ein oberflächlicher Flirt", so der Soziologe. Er geht davon aus, dass soziale Bewegungen und Interaktionen in näherer Zukunft in der ein oder anderen Weise eingeschränkt würden. Online-Dating könne deswegen auch langfristig wieder "ein sehr erfolgreiches Geschäftsmodell" und für viele Menschen "ein relevanter Modus der Begegnung" sein.