DOMRADIO.DE: Was macht Pilgern so attraktiv?
Jürgen Neubarth (Bayerisches Pilgerbüro): Pilgern ist attraktiv, weil man eben nicht nur normal besichtigt, sondern auch das Thema der Sinnsuche hat, das Thema des Spirituellen. Man hat einen Mehrwert. Ich bin also nicht nur mit einem Reiseführer unterwegs und schaue, dass ich die Sehenswürdigkeiten abklappere, sondern gehe ins Detail und schaue mir die Kleinodien an.
DOMRADIO.DE: Ist das für die Menschen so eine Art Urlaub mit Sinn oder die Suche nach dem Unterschied zum normalen Wanderurlaub?
Neubarth: Ich würde auf jeden Fall behaupten, dass das so ist. Besonders dann, wenn man in einer Gruppe unterwegs ist, in der es vielleicht noch einen Austausch mit einem Pilgerleiter gibt. Wenn ein Gespräch möglich ist, dann hilft das, die Dinge einfach intensiver zu erleben, und man kann neben dem Begutachten der Landschaft und der Sehenswürdigkeiten auch noch Menschen kennenlernen und auch über sein eigenes Leben besser reflektieren.
DOMRADIO.DE: Sind denn alle Pilger zwangsläufig gläubige Menschen?
Neubarth: Gläubig ist in irgendeiner Form, glaube ich, jeder. Es ist schon so, dass die meisten Pilger gläubig sind. Es muss jetzt aber nicht sein, dass sie unbedingt Katholik sind oder einer anderen Glaubensrichtung angehören, sondern es ist einfach wichtig, dass man etwas spirituell ist und das ist durch den Glauben eigentlich gegeben.
DOMRADIO.DE: Was den Jakobsweg angeht, wird immer wieder auf Hape Kerkelings Buch "Ich bin dann mal weg" verwiesen. Was glauben Sie macht den Jakobsweg besonders attraktiv?
Neubarth: Der Jakobsweg ist einfach attraktiv, weil er so viele Möglichkeiten bietet. Wenn man hier bei uns in München am Starnberger See ist, dann hängt dort schon die Jakobsmuschel. Wenn man im Rheingraben ist, findet man überall die Jakobsmuschel, die den Weg nach Santiago de Compostela zeigt. Es ist wie ein Spinnennetz, das ganz Europa überzieht und sich dann an den Pyrenäen bündelt. Man hat einfach das Gefühl: Der Jakobsweg ist überall.
DOMRADIO.DE: Die schöne Landschaft in Nordspanien unterstützt das Ganze sicherlich noch?
Neubarth: Mit Sicherheit. Vor allem auch, dass man durch unterschiedliche Landschaften pilgert. Es gibt Gebirge, aber auch weite Ebenen. Immer wieder gibt es kleine Punkte, kleine Kapellen, hier und da ein Kreuz und Möglichkeiten, einfach auch mal ein bisschen abseits zu gehen. Die Infrastruktur ist einfach da. Es gibt Übernachtungsmöglichkeiten und auch die Möglichkeit, das Gepäck transportieren zu lassen. Somit kann man auch sagen: Man macht vielleicht das Ganze ein bisschen luxuriöser.
DOMRADIO.DE: Wie viel bedeutet beim Pilgern denn eigentlich ein bestimmtes Ziel, ein Ankommen an einem besonderen Ort?
Neubarth: Mir persönlich – und den meisten Pilgern auch – ist dieses Ziel sehr wichtig, obwohl es heißt: Der Weg ist das Ziel. Aber ich will am Ende ein Ziel haben. Ich meine, das ist ja bei einer normalen Bergtour schon so. Wenn ich auf den Gipfel will, dann will ich auch auf den Gipfel. Es ist ganz schlimm, wenn ich dann am Sattel aufhören muss, weil ich feststelle, dass es zeitlich nicht mehr geht oder wenn das Wetter umschlägt.
So ist es bei einem solchen Weg in einer viel größeren Form. Wenn ich mir vorgenommen habe in zehn Tagen am Ziel zu sein, dann will ich das auch erreichen. Was den Jakobsweg auch so schön macht, ist, dass auch die einzelnen Etappenziele ein Highlight sind. Wenn ich beispielsweise Einsiedeln in der Schweiz oder Vézelay in Frankreich erreiche, dann ist es für mich genauso wichtig wie dieses Fernziel Santiago, dem ich damit näher komme und das ich dann in einem weiteren Weg vielleicht mal erreiche.
Das Interview führte Dagmar Peters.