Mannheim: Zeitgenössische Kunst im Kirchenraum

Der Herd im Mittelschiff

Kunst, Kirche, Katholikentag. In Mannheim werden in St. Bonifatius Werke ausgestellt, die sich mit dem Glauben auseinandersetzen. Zeitgenössische Objekte, die "anstößig" sind - und das im guten Sinne.

Autor/in:
Anna Kohn
Kuratorin Isabelle von Marschall (DR)
Kuratorin Isabelle von Marschall / ( DR )

Es riecht nach Brötchen. Knusprig-frischen Sonntagsmorgenbrötchen. Und da liegen sie auch: Sechs Stück, fast fertig gebacken, auf einem Rost im Ofen. Und der steht frech direkt am Eingang des Mittelschiffs von St. Bonifatius.



"Herd in offener Kirche" von Alf Setzer ist eines von sechs Werken, das die Ausstellung "Criteria. Kunst in Kirche" in der Kirche versammelt hat. Alles Werke von zeitgenössischen Künstlern aus der "Gemeinschaft christlicher Künstler in der Erzdiözese Freiburg" (GCK). Fünfzig Bewerbungen hatte es aus ihren Reihen für die Ausstellung gegeben, am Ende entschied sich die Jury für die sechs jetzt gezeigten Werke.



Voraussetzung war: Das Kunstwerk muss sich mit dem Kirchenraum auseinandersetzen. Es sollte Bezug auf seine Architektur nehmen, oder auch auf die Rituale, die darin stattfinden. Zeitgenössische Kunst sei im wahrsten Sinne des Wortes "anstößig", meint Doktor Isabelle von Marschall, Kuratorin der Ausstellung. Sie sei "Zeichen des Glaubens und Anregung zum Glauben zugleich".



Dass diese Beschäftigung mit dem Glauben nicht nur konzeptuell, sondern auch ästhetisch interessant sein kann, zeigt Regine Scharfs "Labyrinth". Die fragile Installation zieht sich im Seitenschiff von St. Bonifatius vom Boden bis zur Decke der Kirche. An gespannten Fäden ist eine breite, beige Papierschlange aufgehängt, die sich wie in einem langsamen Tanz hin- und her zu wiegen scheint. Die Künstlerin bezieht sich mit ihrem Werk auf das Labyrinth von Chartres. Es ist im Fußboden der gotischen Kathedrale eingelassen, schwarze Steine auf hellem Grund.



Kirche soll ein Heim bieten

Labyrinthe führen im Gegensatz zu Irrgärten von einem Anfang zu einem Ende, nur ist der Weg so verschlungen und lang wie möglich. In Chartres hat der Pilger die Möglichkeit, das Labyrinth meditierend abzuschreiten und dabei auch über den eigenen Lebensweg nachzudenken. In St. Bonifatius kann der Besucher den Weg des Labyrinthes mit den Augen verfolgen, die Kurven und Schwenks des Papiers nachvollziehen.



Aber auch Setzers "Herd" ist mehr als ein bloßer Hingucker. "Der Herd symbolisiert Wärme und Nahrung, beides Grundbedürfnisse", erklärt von Marschall, "er steht für ein Heim. Das ist etwas, was die Kirche auch bieten soll." Aber der Herd mit den Sonntagsbrötchen steht auf einem Spiegel - Setzer stellt in Frage, ob die Kirche der Gegenwart denn tatsächlich ein "Heim" ist oder nur das Abbild eines Zuhauses.



"Mittelalterliche Kunst in der Kirche sind wir doch schon lange gewöhnt", sagt Kuratorin von Marschall. Zeitgenössische Kunst könne uns noch aufrütteln, uns eine neue Sichtweise vermitteln. Die Gemeinde von St. Bonifatius habe die Werke jedenfalls positiv aufgenommen. "Ich war erstaunt, wie viele tolle Ideen die Mitglieder selbst zu den Werken hatten." Klar sei, dass eine liturgisch genutzte Kirche kein normaler Ausstellungsraum ist. "Criteria" stellt deshalb auch die Frage, wie welche Kunst in einer Kirche ausgestellt werden darf und kann. Dazu gibt ein offenes Diskussionsforum. Die Brötchen aus dem Kunstwerk allerdings gibt’s nur vor Ort in Mannheim.