"Ich hatte in dem Ferienhaus meiner Eltern im Westerwald, wo wir ständig waren, eine richtige Dorfkindheit", erzählt Mariana Leky. "Ich konnte im Wald Hütten bauen, ich konnte eklige Spiele spielen, wie zum Beispiel mit dem Fahrrad auf eine Nacktschnecke fahren und dann bremsen. Man übernachtete im Heuschober, also es war sehr idyllisch und toll". Mariana Leky entführt uns in das Dorf ihrer Kindheit, wobei sie betont, dass alle Personen in ihrem Roman frei erfunden sind. Das sind schrullige Charaktere, liebenswert und kauzig. "Ich wollte Figuren schaffen, denen man es abnimmt, dass sie für manche Dinge mehrere Jahrzehnte brauchen", erzählt die Autorin. "Es gibt da zum Beispiel diesen Optiker, der dreißig Jahre benötigt, um einer Frau seine Liebe zu gestehen. Und ich wollte so von ihm erzählen, dass man eben nicht die ganze Zeit denkt, Herrgott, jetzt komm doch mal in die Puschen, jetzt sag es ihr doch einfach, sondern dass jeder so seinen eigenen Rhythmus hat, auch wenn der andere Leute vielleicht zum Wahnsinn treiben würde".
Die Dorfgemeinschaft ist zusammengewürfelt - wie ein Okapi
Der Roman von Mariana Leky erzählt die Geschichte von Selma und Luise. Selma ist die liebevolle Großmutter, die die Fähigkeit hat, Menschen auf besondere Weise zu trösten. Luise ist das Kind, das mit seinen Kinderaugen die Menschen und Dinge ganz unverstellt sieht. So magisch, wie sie häufig erscheinen. Schwung kommt ins das Leben der Dorfbewohner durch ein Okapi, jenes seltsame Tier aus dem Regenwald, das wie eine Mischung aus Zebra, Tapir, Reh, Maus und Giraffe aussieht. Dieses Okapi erscheint Selma im Traum und alle wissen aus Erfahrung, wenn Selma von einem Okapi träumt, wird binnen 24 Stunden im Dorf jemand sterben. Für Mariana Leky ist das zusammengewürfelt aussehende Okapi eine Metapher auch für das Dorfleben schlechthin. "Im Leben der Dorfbewohner passt auf den ersten Blick wenig zusammen. Und es geht manchmal auch nicht gut aus, oder es ist irgendwie schief", beschreibt Leky die Dorfgemeinschaft. "Ähnlich ist es beim Okapi, da passt auch nicht viel zusammen und es sieht merkwürdig aus. Aber am Schluss sieht es eben auch sehr schön aus".
Ein Buddhist kommt in den Westerwald
Luise, die Enkelin, wird älter. Im Verlauf des Romans gerät das Leben im Dorf dann noch einmal in Fahrt, als Frederik auftaucht, ein buddhistischer Mönch aus dem fernen Japan, in den sich Luise verliebt. "Er ist eine stille Figur, die die Dinge ins Laufen bringt", sagt Leky, "er schubst die Dorfbewohner noch einmal an. Alle haben auf einmal furchtbar viel zu tun, weil das ganze Dorf möchte, dass es zwischen Luise und dem Mönch klappt, die wollen das unbedingt und fangen an, buddhistische Bücher zu lesen". Das ist auch deswegen spannend, weil hier das Fremde, der Buddhismus, in das Dorfleben hineinwirkt, ohne es kaputt zu machen. Denn das Leben im Dorf ist und bleibt eine Welt, in der das gute Miteinander funktioniert. Die Menschen halten sich aus und halten sich fest, auch wenn es Krisen gibt. "Man kann sich in einem Dorf auch schlecht ausweichen und dann macht man wahrscheinlich auch das Beste draus", sagt die Autorin, "und dann lernt man sich eben gut kennen, auch die Geheimnisse der anderen und deren Sichtweisen oder deren Wirklichkeiten, irgendwie schraubt es sich zusammen". Mariana Leky Buch hat ein helles Buch geschrieben, das hoffnungsfroh und glücklich macht, ja, ein gutes Miteinander ist möglich, schaut her, schaut in dieses Dorf im Westerwald und auf die Gelassenheit der Menschen dort. "Jeder guten Gemeinschaft geht die Frage voraus: Nimmst Du mich so, wie ich bin?", ist Leky überzeugt, "Wenn die Antwort dann ´Ja´ ist – mit dem Zusatz, ´Ja, aber ich stehe auch bereit, wenn du dich verändern möchtest´, dann ist das für mich der Inbegriff eines positiven Zusammenhalts, in das jeder hereinkommen kann und herausgehen kann, wie er will".