Marianne Rosenberg erinnert in Kirche an KZ-Ermordung der Sinti und Roma

Eine ungewohnte Bühne

Die grausamen Verbrechen der Nationalsozialisten an den Sinti und Roma betrafen auch ihre Familie: Marianne Rosenbergs Vater Otto überlebte das Konzentrationslager Auschwitz, viele ihrer Verwandten starben. Am Internationalen Holocaust Gedenktag am Mittwoch wird die 54-jährige Sängerin gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Petra bei einer Veranstaltung in der Bochumer Christuskriche an die Geschichte ihrer Familie und damit auch an das Leid von anderen Sinti und Roma erinnern.

Autor/in:
Lisa Caspari
 (DR)

So wollen die beiden Lieder und biografische Texte der von den deutschen Sinti abstammenden Familie Rosenberg vortragen. Die Geschwister Rosenberg folgen damit einer Einladung des evangelischen Pfarrers Thomas Wessel. Die Veranstaltung sei ein gelungenes Beispiel dafür, wie eine «emotionale Annäherung» an dieses schwierige Thema geschaffen werden könne, sagt Wessel: «Denn der Holocaust ist zwar etwas, was man weiß, aber trotzdem nicht begreifen kann.» Durch ihre sympathische Art könnten Marianne und Petra Rosenberg die Besucher «an die Hand» nehmen und sie behutsam durch die Überlebensgeschichte ihrer Familie führen, sagt Wessel.

Am 27. Januar 1945 wurde das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz in Polen von sowjetischen Truppen befreit. Seit 1996 ist der 27. Januar daher in der Bundesrepublik offizieller «Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus». Als Holocaust wird die systematische Vernichtung von Juden sowie anderer Minderheiten in der Zeit des Nationalsozialismus (1933 - 1945) bezeichnet. Der Vernichtungsmaschinerie der Nazis fielen schätzungsweise sechs Millionen Juden in ganz Europa zum Opfer, auch wurden rund 500 000 Sinti und Roma in Konzentrationslagern ermordet.

Marianne Rosenberg habe bisher kaum über ihre Familiengeschichte gesprochen, erzählt Pfarrer Wessel: «Nun aber fanden sie und ihre Schwester Petra, dass es Zeit war, an die Öffentlichkeit zu gehen.» Ein Grund liege auch darin, dass viele der Sinti und Roma, die den Nationalsozialismus direkt miterlebt hatten, bereits verstorben sind. «Nun hält die nachkommende Generation die Erinnerung wach», sagt er.

Marianne Rosenberg selbst ist in diesen Tagen nicht zu erreichen. «Sie ist gerade im Studio und arbeitet an der Vorproduktion ihrer neuen Platte», sagt ihr Sprecher. Für Interviews habe sie derzeit keine freie Minute. Doch der Auftritt in Bochum an der Seite ihrer Schwester Petra, die Vorsitzende des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma Berlin- Brandenburg ist, sei ihr sehr wichtig und fest eingeplant, betont der Sprecher.

Am Mittwoch soll auf Wunsch der Familie Rosenberg außerdem der Gitarrist Ferenc Snétberger auftreten, der den in der NS-Zeit ermordeten Sinti und Roma ein eigenes Concerto für Gitarre und Orchester gewidmet hat.

Neben der Veranstaltung in Bochum, die im Übrigen offizieller Bestandteil des Programms zum Kulturhauptstadtjahr im Ruhrgebiet ist, sind am Gedenktag zur Befreiung von Auschwitz am Mittwoch nach Angaben des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma zahlreiche weitere bundesweite Aktionen geplant. «Es gibt in Deutschland keinen Sinti oder Roma, dessen Familie nicht von den Greueltaten des Nationalsozialismus betroffen war», betont der Vorsitzende Romani Rose.

Doch sei das Schicksal der beiden Volksgruppen in der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg lange kaum thematisiert worden, fügt er hinzu. Obwohl dieses «allgemeine Bewusstsein» sich gebessert habe, fühlten sich viele Sinti und Roma auch heute noch im Alltag diskriminiert, sagt Rose, der selbst bei einer Gedenkstunde am 27. Januar im Magdeburger Landtag sprechen wird. Es sei daher wichtig, gerade auf kommunaler Ebene die Menschen über die Tradition und die schwierige Geschichte der Sinti und Roma zu informieren. Eine Veranstaltung wie die der Schwestern Rosenberg sei daher sehr «erfreulich».

Wer Marianne und Petra Rosenberg am Mittwoch in der Bochumer Christuskirche erleben möchte, muss sich vorher per Email bei Pfarrer Wessel anmelden. Er ist begeistert von den Reaktionen: «Die Mails haben einen unglaublich warmen Ton. Die Leute bitten ganz schüchtern darum, Teil des Abends mit diesem schweren Thema »Auschwitz« sein zu dürfen», sagt er. Rund 750 Plätze hat der Raum in der evangelischen Veranstaltungskirche, bisher liegen dem Pfarrer 400 Anmeldungen vor. Voraussetzungen für eine Teilnahme an der Gedenkveranstaltungen gibt es nicht. Der Eintritt ist frei.