Kirchentage sind immer auch Orte überraschender Bekenntnisse. "Was ich jetzt sage, habe ich dir noch gar nicht gesagt", machte es der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, spannend.
Zusammen mit dem Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, gestaltete er am Freitagmorgen eine Bibelarbeit des Kirchentags in Berlin. Und soviel sei gleich zu Beginn verraten: Bei Bedford-Strohms Bekenntnis ging es - natürlich - um die Ökumene.
Zwei Freunde
Bibelarbeiten gehören zu den Formaten, die, wenn sie - wie in diesem Fall - gelingen, das Besondere der Kirchentage ausmachen. Hier treffen sich zwei Kirchenführer, deren Dienstsitze in München nur wenige hundert Meter auseinanderliegen und die mit einander befreundet sind, zum Dialog ohne vorbereitetes Manuskript über einen Bibeltext. Und es ist ein Leichtes für sie, den vorgegebenen Text aus dem Buch Genesis für gegenwärtige Fragen fruchtbar zu machen.
Bedford-Strohm erzählt vorsichtshalber die Vorgeschichte nach, denn so viel Bibelfestigkeit kann man auch bei den 3.000 Kirchentagsbesuchern in der gut gefüllten Messehalle nicht voraussetzen. Es ist der Konflikt zwischen den Zwillingsbrüdern Esau und Jakob, die sich über das Erstgeburtsrecht und damit die Erbfolge zerstritten haben und die sich nach langen Jahren erstmals wieder begegnen - mit ungewissem Ausgang. Und die sich in dem Lesungstext versöhnen. Eine Steilvorlage für aktuelle politische, aber auch für kirchliche Ausdeutungen.
Gegenseitige Anerkennung
Marx übernimmt zunächst die politische Perspektive, erinnert an die schwierige deutsch-französische Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg und nicht zuletzt an die besondere Rolle des französischen Politikers Robert Schuman (1886-1963) dabei. Der sei "ein großer Heiliger der Versöhnung" gewesen, so der Kardinal, der sich für eine Seligsprechung Schumans einsetzt. Versöhnung sei nicht schnell zu erreichen, sondern ein "komplizierter Prozess, wenn er Bestand haben soll". Sie sei nicht durch Beschwichtigung zu erreichen, sondern nur, indem sich die Beteiligten ihrer Schuld stellten. Erreichtes müsse abgesichert werden, betonte Marx, etwa durch Verträge und Institutionen. Schließlich brauche es Zeichen, Riten und Bilder, wie die Umarmung der beiden Brüder im Bibeltext.
Dies war das Stichwort für Bedford-Strohm, der an den ökumenischen Gottesdienst in Hildesheim am 11. März erinnerte, bei dem seine Umarmung mit Marx bildkräftig die Versöhnung der Kirchen zum Ausdruck brachte. Für ihn sei dabei besonders beeindruckend gewesen, gestand der EKD-Ratsvorsitzende nun, wie sich beide - in lange vorbereiteten und ausgearbeiteten Formulierungen - dabei gesagt hätten, was sie an der jeweils anderen Kirche schätzten. "Es war für mich berührend, wie du gesagt hast: Wir schätzen eure Synoden - diese Anerkennung von eurer Seite." "Mir ist es genau so gegangen", antwortete der Kardinal.
Segen Gottes "in Fülle"
Zugleich wies er die Kritik zurück, dass solche Gesten oder das gute Miteinander auf persönlicher Ebene für die Ökumene noch nichts brächten. "Die Frage ist: Wollen wir zusammen gehen? Wir wollen es!", bekräftigte Marx. Dazu gehöre eben auch die Freundschaft, denn ohne Sympathie und Neugier auf den anderen sei auch keine Verständigung möglich.
Bedford-Strohm ging zum Schluss noch einmal auf den Bibeltext zurück, laut dem sich der Heimkehrer Jakob mit seiner Familie in gehörigem Abstand von Esau niederließ. "Wir sagen aber nicht, wer von uns Esau und wer Jakob ist", frotzelte der Landesbischof. Er strebe durchaus eine engere Nachbarschaft mit den katholischen Brüdern und Schwestern an. Sie könnten dann Feste gemeinsam feiern, "und dann wird man sehen, was passiert, wenn man nah beieinander ist". Im Unterschied zu dem biblischen Brüderpaar müssten Protestanten und Katholiken ja nicht um den Segen des Vaters konkurrieren, meinte Bedford-Strohm, sondern könnten ihn gemeinsam erhalten. Der Segen Gottes sei "in Fülle da".