Materialprüfer erforschen Korrosion bei Orgeln

Wenn der Bleifraß Kulturschätze gefährdet

In einem Pilotprojekt erforschen Bremer Materialprüfer und Musikwissenschaftler die Ursachen von Korrosion und Schimmel, die in Deutschland seit Jahren historischen Orgeln zusetzen. Dabei beschäftigt die Forscher vor allem der sogenannte Bleifraß.

Autor/in:
Dieter Sell
Kirchenorgel / © Bernd Wüstneck (dpa)
Kirchenorgel / © Bernd Wüstneck ( dpa )

Der Bleifraß, der die alten Orgelpfeifen von innen angreife, sei am gefährlichsten, sagte Physiker Herbert Juling dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wenn dann Löcher in der Wand der Pfeifen entstanden sind, ist es schon fast zu spät."

Projektleiter und Materialforscher Juling erläuter: "Neue Heizsysteme, anderes Heizverhalten in den Kirchen und bauliche Veränderungen sind maßgeblich an der verstärkten Korrosion beteiligt." Auch das Holz spiele eine wichtige Rolle. Denn meistens sind die Windladen, aus denen Luft in die aus Blei oder einer Blei-Zink-Legierung gegossenen Pfeifen gepustet wird, aus Eichenholz gebaut. "Eiche hat die unangenehme Eigenschaft, Essigsäure auszuscheiden", sagte Juling, der seit 2013 mögliche Korrosions-Ursachen erforscht.

Das Klima in den Kirchen soll gemessen werden

"Wenn dann noch Feuchtigkeit hinzukommt, wirkt das zersetzend, es entsteht Blei-Acetat, die Pfeifen sind sauer", verdeutlichte Juling. Eine Umluft-Heizung in der Kirche und die Luftfeuchtigkeit, die etwa durch viele Gottesdienst-Besucher erhöht wird, verschärften das Problem. Das gefährde Kulturschätze, die unwiederbringlich verloren gehen könnten, besonders im Nordwesten Deutschlands, warnte der Wissenschaftler. "Hier gibt es die weltweit höchste Dichte an spielbaren historischen Orgelinstrumenten."

Um Gegenmaßnahmen testen zu können, sollen in den kommenden zwei Jahren Orgeln in Belum bei Cuxhaven, in Freiburg/Elbe, im ostfriesischen Marienhafe und in Celle exemplarisch auf Schäden untersucht werden. Geplant sind Klimamessungen in den Kirchenräumen und Experimente in Simulationskästen unter anderem zur Verminderung der Luftfeuchtigkeit und Essigsäure. «In enger Zusammenarbeit mit Orgelbauern wollen wir einen Emissionstest entwickeln, der zukünftig bei historischen Orgelinstrumenten eingesetzt wird», sagte Juling.

Pilotprojekt wird von der Deutschen Bundestiftung Umwelt gefördert

Um gegenzusteuern, müssten Orgelbauer für neue Instrumente beispielsweise sehr lang abgelagertes Eichenholz verwenden, das allerdings schwer zu bekommen sei, erläuterte Juling. Bei Bau und Restaurierung dürften keine Leime mit Acetat verwendet werden, die selbst Essigsäure ausschieden. Überdies könnten Trocknungsmittel in der Orgel und das Ausstreichen des Innenraums der Windladen mit Kalk helfen: "Versuche haben gezeigt, dass der Kalk die Säure neutralisieren kann."

Das Pilotprojekt läuft unter der Leitung des Arp-Schnitger-Instituts für Orgel und Orgelbau an der Bremer Hochschule für Künste. Partner ist die Amtliche Materialprüfungsanstalt der Hansestadt. Gefördert wird das im Oktober gestartete Projekt an den vier Orgeln in Niedersachsen durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt sowie die Klosterkammer Hannover.


Quelle:
epd