Matthias Fraune ist Priester mit Behinderung

Im Rollstuhl gegen Widerstände

Seit seiner Jugend sitzt Matthias Fraune im Rollstuhl. Fast genauso lange wünscht er sich, Priester zu werden. Wegen seiner Behinderung lehnte ihn die Kirche zunächst ab. Mit 56 Jahren hat er es nun doch geschafft.

Autor/in:
Anita Hirschbeck
Der Priester Matthias Fraune in der Kirche Sankt Bartholomäus in Laer / © Anita Hirschbeck (dpa)
Der Priester Matthias Fraune in der Kirche Sankt Bartholomäus in Laer / © Anita Hirschbeck ( dpa )

Die Kirche Sankt Bartholomäus in Laer bei Münster ist ein guter Ort für Matthias Fraune, um aus seinem Leben zu erzählen. Hier wurde er getauft und gefirmt, hier ging er zur Erstkommunion und zum Ministrieren, hier spielte er Orgel und gestaltete Wortgottesdienste. Und: In dieser Kirche leitete er vor Kurzem seine allererste Messe als katholischer Priester. Klingt nach einem recht absehbaren Lebenslauf. Doch der 56-Jährige musste enorme Hürden nehmen, bis er den Beruf ergreifen konnte, den er als Berufung empfindet. Denn Fraune hat eine körperliche Behinderung. Seit er 13 ist, sitzt er im Rollstuhl.

Bestimmungen im Kirchenrecht

Das Kirchenrecht regelt, welche Voraussetzungen ein Mann erfüllen muss, der Priester werden will. Demnach darf er mit "keinerlei Irregularitäten" behaftet sein und muss über "physische und psychische Gesundheit" verfügen. Was das genau bedeutet, bleibt aber schwammig. "Das entscheidende Kriterium sehe ich darin, dass jemand einen nützlichen Dienst für die Kirche als Priester übernehmen kann", erklärt der Münchner Liturgieprofessor Winfried Haunerland. In der Regel entscheide der Bischof in enger Abstimmung mit dem Leiter des Priesterseminars als zentraler Ausbildungsstätte - je nach Einzelfall darüber, ob jemand Priester werden kann.

Erste Bewerbung mit 20 Jahren

Fraune bewarb sich das erste Mal als 20-Jähriger. Damals saß er schon seit mehreren Jahren im Rollstuhl. Nach einer Operation war er ins Koma gefallen und fortan gelähmt. Da Fraune kein Abitur hatte, erklärte das Bistum, er solle zuerst eine Ausbildung machen. Dann könne er sich wieder melden.

Das tat der Verwaltungsfachangestellte und unternahm 1993 den zweiten Versuch. Zunächst habe er positive Signale vom Bistum bekommen, erzählt er. Doch dann eine Absage. "Da bin ich in ein tiefes Loch gestürzt." Später habe er einen der damaligen Weihbischöfe auf die Absage angesprochen. Der habe ihm bedeutet, dass Fraune in seinem "Zustand" kein Priester werden könne. Das würde höchstens in der Seelsorge einer Behinderteneinrichtung gut gehen - für ein paar Wochen.

Mehrere Ablehnungen

Es war nicht das erste Mal, dass Fraune Ablehnung erfuhr. Als er nach seiner OP wieder den Sonntagsgottesdienst besuchen konnte, beschwerten sich Gemeindemitglieder beim Pfarrer, sie könnten beim Anblick des behinderten Jungen nicht in Andacht der Messe folgen. Doch der Pfarrer dachte gar nicht daran, den Jugendlichen der Kirche zu verweisen. Der Vorfall sei für ihn und seine Eltern sehr verletzend gewesen, erzählt Fraune heute. Mittlerweile seien die Menschen offener gegenüber Behinderungen.

Das trifft auch für die Kirche zu. Haunerland begründet die früheren Vorbehalte vor allem mit einer Sorge um die "eucharistischen Gestalten". Wenn also der Priester in der Messe Brot und Wein in Leib und Blut Jesu Christi wandelt, dann sollte das würdevoll aussehen; mögliche Missgeschicke waren auszuschließen. Andererseits drückten viele Bischöfe nach dem Zweiten Weltkrieg öfter mal ein Auge zu. Die Zahl der Priesteramtskandidaten mit fehlenden Gliedmaßen war im Kriege schlicht gestiegen.

Kirche blieb Dreh- und Angelpunkt

Für Fraune blieb die Kirche trotz der Rückschläge ein Dreh- und Angelpunkt. Während einer Wallfahrt 2012 redete er mit dem späteren Generalvikar Klaus Winterkamp über seinen Wunsch, Priester zu werden. Der machte ihm Mut. Es sollte weitere vier Jahre und viele Gespräche mit Freunden und Familie brauchen, bis es der Verwaltungsfachangestellte noch einmal versuchte - diesmal mit Erfolg. Vergangenen Pfingstsonntag weihte ihn Bischof Felix Genn zum Priester.

"Früher war die Kirche noch nicht so weit", sagt der 56-Jährige mit Blick auf die Absagen. Mit Genn habe er das Thema nie intensiver besprochen. Regens Hartmut Niehues habe ihm aber einmal gesagt, er fände es gut, dass Männer mit Behinderung Priester werden können.

Mobiles Tischchen für die erste Messe

Für seine erste Messe zimmerte ihm der Heimatverein Laer ein mobiles Tischchen hinter dem Altar, unter das Fraune mit dem Rollstuhl fahren kann. So erreicht er bequem Brot und Wein für das Abendmahl. In seiner Ausbildungsgemeinde Sankt Remigius in Borken, in der er weiter tätig ist, steht ein ähnliches Möbelstück. Für seinen künftigen Dienst setzt der Geistliche vor allem auf Begegnung und Austausch: "Lasst uns als Menschen einfach Menschen sein."

Quelle:
KNA