100. und letztes "Wort zum Sonntag" mit Gereon Alter

Mehr als Terror und Katastrophen

Er ist das prominenteste Gesicht der ARD-Verkündigungssendung "Wort zum Sonntag". Diesen Samstag spricht der Essener Pfarrer Gereon Alter seinen letzten Impuls - mit dem Titel "Warum ich bleibe".

Pfarrer Gereon Alter (privat)
Pfarrer Gereon Alter / ( privat )

DOMRADIO.DE: Fast zwölf Jahre haben Sie regelmäßig das "Wort zum Sonntag" gesprochen, diesen Samstagabend zum 100. und letzten Mal. Wie fühlt sich das für Sie an?

Gereon Alter (Pfarrer in Essen und "Wort zum Sonntag"-Sprecher): Ach, ich gehe schon ein bisschen mit Wehmut. Ich habe es selbst so entschieden, weil ich gedacht habe: Zwölf Jahre ist eine gute Zeit, die 100. Sendung allemal. Aber trotzdem, mir ist die kleine Sendung ans Herz gewachsen. Ich habe ganz viel dabei gelernt, und insofern gehe ich schon auch wehmütig.

DOMRADIO.DE: Sie haben in den zwölf Jahren ja auch viel erlebt. Sie haben auch Ungewöhnliches gemacht. Einige Ihrer Aktionen bleiben Ihren Zuschauern und Zuschauerinnen sicher in Erinnerung: Die Ice-Bucket-Challenge oder der Eurovision Song Contest, da waren Sie mehrmals auf Sendung - und beim Katholikentag 2018, da haben Sie sich gegen die Fremdenfeindlichkeit der AfD ausgesprochen. Gibt es denn ein Highlight für Sie, was auf jeden Fall Ihnen weiter in Erinnerung bleiben wird?

Alter: Das, was mich am meisten berührt hat, war immer die Auseinandersetzung mit Unglücksfällen, Terroranschlägen und Naturkatastrophen, auf die wir im "Wort zum Sonntag" ja oft sehr kurzfristig reagieren mussten, weil das ganz viele Menschen berührt. Und da die richtigen Worte zu finden in der Situation, in der man oft noch gar nicht so genau sieht, was da passiert ist, das war schon eine große Herausforderung. Das hat mich aber wach gehalten und mir auch noch mal die Sinne geschärft dafür, wie man denn in so einer Situation mit Worten umgeht. Und deshalb sind diese Sendungen für mich eigentlich mit die wichtigsten.

DOMRADIO.DE: Damit hat es auch gleich angefangen, denn in Ihrem ersten Beitrag im Januar 2010 ging es um das Erdbeben auf Haiti. Später kamen Katastrophen wie das Loveparade-Unglück in Duisburg oder die Reaktorkatastrophe in Fukushima. Sie haben gesagt, man lerne da mit den Worten umzugehen. Aber wie schwierig ist das denn, die passenden Worte zu finden?

Alter: Ich glaube, man muss erst mal hinhören, aufmerksam sein. Das ist ja für jedes Reden eine wichtige Voraussetzung. Das heißt: Was ist da passiert? Was macht das mit mir? Es ist oft ein unsagbares, auch unaussprechliches Elend, was uns da ja über die Medien erreicht - und dann möglichst das aussprechen, was viele Menschen bewegt.

Wir haben nun als Christen ja auch eine Hoffnung, dass Leid und Elend nicht das letzte Wort über uns haben, sondern dass es auch etwas darüber hinaus gibt. Und das zeigt sich auch oft in solchen Katastrophen-Situationen. Da wird auf einmal eine Solidarität greifbar, die vorher gar nicht so greifbar war. Und das dann ins Wort zu bringen, darum geht es in solchen Situationen.

DOMRADIO.DE: Worum wird es denn bei Ihrem letzten "Wort zum Sonntag" gehen?

Alter: Der Titel lautet "Warum ich bleibe",  aber nicht beim "Wort zum Sonntag", sondern in der katholischen Kirche. Das ist eine Frage, die aktuell sehr viele bewegt. Die Zahlen der Austritte sind horrend. Ich erlebe das in meiner eigenen Pfarrei und auch das macht was mit mir. Und ich habe mich ernsthaft auch schon gefragt: Warum halte ich eigentlich für diese Kirche, die im Moment so schräg dasteht, mein Gesicht noch weiter hin? Und darüber habe ich mir Gedanken gemacht und darüber spreche ich in meinem letzten Beitrag.

DOMRADIO.DE: Was nehmen Sie persönlich für sich mit aus dieser Zeit?

Alter: Fasse dich kurz und komm auf den Punkt. Das ist, glaube ich, das Wichtigste. Man kann im Fernsehen keine langen Predigten halten. So ermüdend, wie wir das manchmal sonntags in der Kirche erleben. Dann: Sprich das an, was Menschen wirklich bewegt und beantworte nicht Fragen, die niemand stellt. Das sind so die formalen Dinge.

Dann habe ich aber einen Einblick auch ins Fernsehen bekommen. Wie funktioniert dieses Medium? Warum kommt etwas an? Warum nicht? Da können wir als Kirche ungemein viel von lernen. Und das Letzte und Wichtigste vielleicht: Auf diesem Weg erreichen wir Menschen, die wir auf anderen Wegen überhaupt nicht erreichen, die nicht sonntags in der Kirche sind, die auch nicht unseren kirchlichen Sprachjargon gewöhnt sind. Und das ist, glaube ich, das Wichtigste dabei, Menschen eben auch mit der Botschaft Jesu vertraut zu machen auf die ihnen angemessene Weise.

DOMRADIO.DE: Wie geht es jetzt für Sie weiter? Werden Sie noch mal woanders vor der Kamera stehen?

Alter: Es gibt ja noch das eine oder andere, was ich auch sonst gemacht habe: Gottesdienst-Übertragungen etwa. Das werde ich sicher weiter machen. Dazu mag ich das Medium einfach viel zu sehr. Und alles andere schauen wir mal. Ich habe da noch eine Hauptaufgabe als Pfarrer in Essen, die füllt mich auch so ganz gut aus.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Logo Wort zum Sonntag (ARD) / © Matthias Greve (KNA)
Logo Wort zum Sonntag (ARD) / © Matthias Greve ( KNA )
Quelle:
DR