Was das Beratungswesen aus der Corona-Krise gelernt hat

Mehr Begegnungen im virtuellen Raum

Zwei Monate mussten Psychotherapeuten und Beratungsstellen coronabedingt ihre Arbeit einschränken. Viele Therapeuten und Berater wurden kreativ, probierten neue Gesprächsmöglichkeiten aus. Sind Zukunftsmodelle dabei?

Autor/in:
Von Angelika Prauß
Online- und Telefonberatung zur Überbrückung / © Africa Studio (shutterstock)
Online- und Telefonberatung zur Überbrückung / © Africa Studio ( shutterstock )

Ein Blick auf die komplexe Körpersprache des Gegenübers, ein angereichtes Taschentuch gegen den Tränenfluss, ein mitfühlendes In-den-Arm-nehmen - all das ist in psychologischen Beratungen und Therapien in diesem Frühjahr nicht möglich. Binnen weniger Tage mussten Psychotherapeuten und Krisenberater umdenken. 

Schnelle Reaktion

"Der Shutdown hat uns eiskalt erwischt", gesteht Gaby Hübner, Vorsitzende des Bundesverbandes katholischer Ehe-, Familien- und Lebensberaterinnen und -berater. Die Beratungsstellen mussten schnell geschlossen, die Erreichbarkeit gesichert und zwei Monate überbrückt werden. 

Online- und Telefonberatung nur vorübergehend

Verstärkt hätten nun telefonische und Online-Beratung stattgefunden. Ohne den persönlichen Kontakt fehle den Beratern aber ein wichtiges therapeutisches Hilfsmittel - und den Ratsuchenden eine wichtige Möglichkeit, sich durch die Ansprache des Gegenübers verstanden zu fühlen, erklärt Hübner. "Schon bevor ein Mensch den ersten Satz sagt, zeigt er mit seiner ganzen Körpersprache, wie es ihm geht. Die Körpersprache sagt alles - aber die sieht man am Telefon nicht."  

Blended Counceling

Im Kommen - und durch die Coronakrise stärker in den Blick geraten - ist laut Hübner das sogenannte Blended Counceling, eine Kombination von persönlichem Gespräch und Online-Beratung. Voraussetzung für die auch videounterstützte Begleitung seien nicht nur die Datensicherheit, sondern auch die entsprechende technische Ausstattung des Beraters und des Klienten: Beide müssen über PC oder Laptop mit Kamera und Lautsprecher verfügen; schon daran hapert es in mancher Beratungsstelle wie in Privathaushalten.  

Besser "face-to-face-Beratung"

Viele ihrer Kollegen seien froh, dass sie durch die Lockerungen - wenn auch unter deutlichen Hygiene- und Sicherheitsvorkehrungen - nun wieder zur "face-to-face-Beratung" zurückkehren können. Dennoch beobachtet Hübner eine große Bereitschaft, sich für die bislang oft ungewohnte Beratung über digitale Medien zu qualifizieren. Die Coronakrise habe "die Notwendigkeit gezeigt, das zu lernen und anzuwenden". 

Technisch geschützte Videogespräche

Bei Psychologischen Psychotherapeuten, die auf Rechnung der Krankenkassen arbeiten, ist nach einem ersten persönlichen Treffen schon seit zwei Jahren eine Fernbehandlung über Videoschaltung möglich, wie Johanna Thünker erläutert. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung stelle zertifizierten Therapeuten dafür sichere Techniklösungen bereit, sagt die Diplom-Psychologin. So ein technisch geschützter Raum sei die Voraussetzung für Videogespräche.  

Anders als am Telefon vermittle ein Video immerhin Gestik und Mimik des Klienten, auch wenn am Bildschirm nicht der ganze Körper im Blick sei. Über das Medium entstehe allerdings "weniger Nähe und Empathie", und für Therapeuten sei der Kontakt anstrengender als ein persönliches Gespräch. Andererseits helfe es gerade Menschen mit sozialen Phobien, mit einem Therapeuten in Kontakt zu treten, sagt Thünker.  

Mit Trennwand als Spuckschutz

Anders als Beratern sei es Psychotherapeuten als Vertretern eines Heilberufs im Übrigen während der Krise nicht verboten gewesen, weiterhin persönliche 1:1-Beratungen anzubieten. Im Falle beengter Räumlichkeiten notfalls auch mit Trennwand als Spuckschutz und Schutzmaske.  Denn trotz verbesserter technischer Optionen mit datengeschützten Leitungen: Die Therapie in Zukunft verstärkt über Video und Co. laufen zu lassen, wollten die Behandelten nicht, sagt die Diplom-Psychologin. "Viele haben schon gefragt: Wann kann ich wieder persönlich kommen?" 

Persönliche Begegnung bleibt wichtig

Auch Fredi Lang vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen glaubt, dass die persönliche Begegnung auch nach Corona eine wichtige Bedeutung behält. In der Krise habe es mehr Videosprechstunden gegeben. Aber nicht jeder Therapeut und Klient verfüge über die ausreichende Technikkompetenz und Vertrauen in abhörsichere Technik. 

Für Lang hat die persönliche Begegnung in der therapeutischen Praxis noch einen anderen Vorteil: Statt - mitten im eigenen Problemsetting - bequem vom heimischen Sofa aus mit dem Therapeuten per Video zu sprechen, sei das Heraustreten vor die eigene Haustür schon ein wichtiger Schritt, um sich buchstäblich auf den Weg zu machen.


Quelle:
KNA
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