DOMRADIO.DE: Die Kölner Basilika St. Aposteln feiert 1.000-jähriges Bestehen. Dafür wird die Ambient-Messe in St. Aposteln gefeiert, wie können wir uns die Messe vorstellen?
Dominik Meiering (Leitender Pfarrer der Innenstadtgemeinden): Das ist ja ein ganzes Ambient-Festival. Wir haben vier Tage lang ein Programm von morgens bis abends mit Welt-Künstlern. Ich bin super happy, dass das im Rahmen von "1.000 Jahre St. Aposteln" stattfinden kann. Da sind auch einige besondere Kompositionen dabei, unter anderem eine Mess-Komposition für den Sonntag, aber darüber hinaus noch andere Dinge.
Anfangs wusste ich auch nicht, was Ambient bedeutet. Ich bin dann einfach mutig zu einem Konzert hingegangen, habe es erlebt, die Augen zugemacht und gedacht: Mein Gott, hier lernst du wirklich Beten, hier wirst du in einen anderen Raum entführt. Diese Erfahrung teilen jetzt schon seit 15 Jahren ganz viele, vor allem junge Menschen. Sie kommen in unsere Kirche, machen sie bis zum Anschlag voll und hören mit großer Begeisterung diese Welt-Künstler.
DOMRADIO.DE: "Annum per annum" lautet der Titel des Festivals. Was steckt dahinter, Herr Saxler?
Dietmar Saxler (Leiter Ambient-Festival): Wir haben immer ein lateinisches Motto und in diesem Jahr bezieht es sich speziell auf das 1.000-jährige Jubiläum von St. Aposteln. Übersetzt bedeutet es: Jahr um Jahr. Im Grunde genommen soll es die Zeitlosigkeit reflektieren, die diesen langen Zeitraum von 1.000 Jahren für uns vielleicht auch greifbar machen kann.
DOMRADIO.DE: Musik und Vorträge wird es geben, Klangbild- und Lichtkünstler werden aufeinandertreffen. Wird es auch diese Projektionen, die wir am Dom schon erlebt haben, geben?
Saxler: Ja, genau. Das Künstlerduo Hartung & Trenz hat eine Installation entwickelt, die 1.000 Sekunden lang ist. Das ist eine Auftragsarbeit zum Jubiläum von St. Aposteln.
DOMRADIO.DE: Welche Auftragsarbeiten werden noch zu sehen oder hören sein?
Meiering: Zum Beispiel eine Messe, die Lubomyr Melnyk komponiert hat, oder Kompositionen von Alvin Lucier, die er jeden Abend mit seinem Ever Present Orchestra aufführen wird, oder das Glockenbuch von Markus Schmickler, eine multimediale Klanginszenierung. Wir haben wirklich Welt-Künstler kriegen können, die sich bereiterklärt haben, für unser 1.000-jähriges Jubiläum etwas auf die Beine zu stellen.
DOMRADIO.DE: Musik und Vorträge gibt es nicht nur in St. Aposteln, sondern auch in St. Michael am Brüsseler Platz. Darunter sind auch ganz junge Künstler.
Saxler: Das ist sozusagen unser Nachwuchsprogramm. Wir haben das "Next Generation of Ambient" genannt. Da sind wirklich ganz neue, spannende Künstler, die man vielleicht bis jetzt noch gar nicht erlebt hat. Das Programm in St. Michael ist auch kostenfrei.
DOMRADIO.DE: Welche Corona-Regeln werden beim Festival gelten?
Saxler: Wir wurden mitten in der Planung überrascht und hatten dieses Jahr erst anders geplant, aber nun müssen wir wieder mit Abständen in der Kirche planen. Es gibt eine Teststation vor Ort, wo sich jeder testen lassen kann, der noch nicht geimpft ist, und der Einlass erfolgt nach der 3G-Regel: geimpft, getestet oder genesen. Außerdem gibt es eine Open-Air-Bühne. Da findet zum einen die Eröffnung und zum anderen dieses Glockenbuch von Markus Schmickler statt. Wir haben versucht, alles coronakonform zu machen.
DOMRADIO.DE: Was ist für Sie als Festivalleiter besonders reizvoll in diesem Jahr?
Saxler: Das sind die Auftragskompositionen, die nur für St. Aposteln und nur für das Jubiläum gemacht wurden. Ich denke, das ist etwas Einmaliges. Wir haben dieses Jahr ein unglaublich großes Programm, man kann sich beteiligen, es gibt ganz viele Veranstaltungen umsonst, es gibt die Heilige Messe und es fängt tagsüber in St. Michael an und endet abends mit großen Aufführungen in St. Aposteln.
DOMRADIO.DE: Wie ist Ambient eigentlich entstanden?
Meiering: Eigentlich hier auf dem Köln-Bonner Flughafen. Aber die Geschichte kann Dietmar viel besser erzählen.
Saxler: Der Musiker Brian Eno hatte einen Aufenthalt hier am Köln-Bonner Flughafen. Währenddessen überlegte er, ob Musik den Aufenthalt etwas angenehmer machen könnte. Daraufhin hat er Musik komponiert, die sich in Schleifen wiederholt. Für mich hat diese Musik etwas Meditatives. Dieses Musikstück von Brian Eno hat das Genre Ambient begründet. 1978 hat er die Platte "Music for Airports" herausgebracht.
DOMRADIO.DE: Warum passt diese Musik so gut in den Kirchenraum?
Saxler: Weil diese Musik meditativ ist. Sie ist zwar elektronisch und modern, hat aber einfach diesen Geist von einer Meditation, die in einem Kirchenraum perfekt ist.
DOMRADIO.DE: Wie empfinden Sie diese Musik im Kirchenraum?
Meiering: Als ich diese Musik zum ersten Mal erlebt habe, saßen jungen Leute auf dem Boden und schauten zu, wie jemand Musik auflegt oder an einem Computer steuert und so Sounds entstehen. Vor allem waren das ganz andere Leute, die ich normalerweise aus der Kirche nicht kenne. Diese Musik ist sehr komplex und durchkomponiert. Zuerst war das eine ganz neue Erfahrung für mich und dann habe ich die Augen zugemacht und versucht zu fühlen.
Dabei habe ich gemerkt, dass so ein alter Kirchenraum und so eine neue Musik gut zusammenpassen, wie dabei Raum und Musik kommunizieren, sich gegenseitig interpretieren und in mir die Frage nach Gott haben aufkommen lassen. Ich hatte auch das Gefühl, dass ich dabei richtig gut beten kann, aber auch, dass die Menschen geradezu eine Sehnsucht danach hatten, eine andere Welt zu erleben. Das war alles unglaublich stark. Deswegen freue ich mich sehr darauf, dass wir das dieses Jahr so groß und so intensiv feiern können.
DOMRADIO.DE: Vom 9. bis 12. September wird das Ambient-Festival stattfinden. Dafür werden noch Freiwillige gesucht. Es muss schon jetzt einiges vorbereitet werden. Was sollen denn die Freiwilligen mitbringen oder können?
Saxler: Wir sind erst einmal offen für alle Fähigkeiten: Es geht von Bänke ausräumen in der Kirche, wofür wir kräftige Menschen suchen, bis hin zum Einlass, wofür wir sogenannte Türengel suchen, die die Leute zu ihren Plätze begleiten, oder die 3G-Kontrolle machen. Wir suchen Helfer, die die Künstler betreuen, das Orchester hin und her fahren. Also es sind alle möglichen Fähigkeiten gefragt.
DOMRADIO.DE: Das sind jetzt keine bezahlten Nebenjobs, sondern ehrenamtliche Aufgaben. Warum lohnt es sich, dabei zu sein?
Saxler: Das Festival kann ohne ehrenamtliche Helfer gar nicht stattfinden. Im letzten Jahr war das Festival kleiner und da hatten wir schon 17 Helfer im Einsatz. Dieses Jahr ist es sehr viel größer und wir brauchen mindestens 50 Ehrenamtliche. Bis jetzt haben sich aber erst drei gemeldet. Wir haben einen Aufruf auf unserer Internetseite. Wir brauchen diese Hilfe, schließlich ist es auch ein christliches Musikfestival.
DOMRADIO.DE: Die Freiwilligen kriegen zwar kein Geld, aber die nehmen ja auf jeden Fall etwas für sich persönlich mit.
Saxler: Auf jeden Fall. Wir bieten den Freiwilligen an, dass sie jeden Abend die Konzerte besuchen können. Sie bekommen von uns Verpflegung, werden von uns zur Pressevorführung eingeladen. Also wir bieten auch was.
DOMRADIO.DE: Können sich die Freiwilligen ihren Einsatzbereich aussuchen?
Saxler: Ja, gerne. Also wenn man sich meldet und Fähigkeiten angibt, wo man wo man was machen möchte, kann man da auch Angaben machen. Vielleicht guckt jeder, der helfen will, kurz vorher auf unserer Internetseite. Aber wie gesagt, wir können jede helfende Hand gebrauchen.
DOMRADIO.DE: Wird in den Gemeinden schon die Werbetrommel gerührt?
Meiering: Ja, klar. Aber ich finde es unglaublich sympathisch, dass auch mal andere Leute als die, die normalerweise bei uns in der Kirchenbank sitzen, mit unserem Kirchraum und mit einer Erfahrungswelt in Berührung kommen, die vielleicht noch nicht da ist. Es ist einfach ein tolles Setting für jüngere Menschen. Ich denke an Studierende oder Auszubildende, die vielleicht Bock haben, da mal was anderes zu erleben und mitzubekommen.
Saxler: Mir fällt gerade ein: Wir suchen dringend noch Sänger und Sängerinnen. Wir haben den Chor "Fiat Ars", der eine 1.000-minütige Langzeit-Meditation in der Kirche macht. Die beginnt am Donnerstagnacht und geht bis Freitagnachmittag. Das ist eine 16-Stunden-Meditation. Wir haben die Sänger und Sängerinnen in Schichten eingeteilt, damit nicht jeder die ganzen Zeit da sein muss. Aber wir decken noch nicht die ganze Zeit ab und brauchen deshalb dringend noch gute Chorsängerinnen und Sänger. Man kann sich aussuchen, ob man in der Nacht oder am Tag singen möchte.
Das Interview führte Dagmar Peters.