Menschenrechtler: Armut und Korruption spielen Boko Haram in die Hände

Nordnigerias Christen in Angst

Die Gewaltspirale in Nordnigeria dreht sich immer weiter. Meist fallen Christen der radikalislamischen Sekte Boko Haram zum Opfer. Im domradio schildert der Menschenrechtler Emmanuel Ogbunwezeh die Lage vor Ort.

Gräber für getötete Christen (dpa)
Gräber für getötete Christen / ( dpa )

domradio.de: Allein Ende Januar sind rund 70 Menschen, darunter mindestens 22 Christen, den Terroranschlägen von Boko Haram zum Opfer gefallen. Man hat den Eindruck, die Radikalen können tun und lassen was sie wollen. Warum ist der Sekte nicht beizukommen?

Emmanuel Ogbunwezeh (IGFM): Das zeigt die Unfähigkeit der nigerianischen Regierung und dass der Terror jeden Tag ausgeklügelter wird. Diese zwei Faktoren spielen in die Hände von Boko Haram. Die nigerianische Regierung hat Unfähigkeit gezeigt, diese Sekte unter Kontrolle zu bringen und die Sekte erhält moderne Waffen und finanzielle Unterstützung von draußen. Diese beiden Faktoren sind der Hauptgrund, warum dieses Terrornetzwerk jeden Tag stärker wird.

domradio.de: Es heißt immer wieder, dass Armut und Korruption ein Grund für den Erfolg von Boko Haram sind. Aber eigentlich hat Nigeria durch das große Erdölvorkommen alle Chancen aus der Armut herauszukommen. Warum gelingt dies aber seit Jahren nicht?

Ogbunwezeh: Die politische Korruption ist ein Hauptgrund, warum diese große soziale Ungleichheit bei uns in Nigeria herrscht. Das macht die Predigten von Boko Haram für viele Menschen attraktiv. Sie glauben, dass westliche Werte unfähig sind, Nigeria aus der Armut herauszuführen.

domradio.de: Sie sind ja jetzt erst in Nigeria gewesen, wie erleben die Christen denn ihren Alltag?

Ogbunwezeh: Nordnigeria ist der gefährlichste Ort in der Welt heute, um Christ zu sein. Die Gefahr gehört zum Alltag. Menschen sterben jeden Tag, weil sie Christen sind. Es gibt ein Klima von Angst, von dem die Menschen betroffen sind und wir wissen nicht, wie weit das geht. Das ist das Problem jetzt. Damit sind wir konfrontiert.

domradio.de: Angesichts der schieren Gewalt der islamistischen Sekte - sind da gewaltfreie Ansätze zur Lösung des Konfliktes überhaupt noch realistisch?

Ogbunwezeh: Das nigerianische Militär ist im Einsatz in drei nördlichen Bundesländern von Nigeria. Unser Ansatz ist aber der Dialog. Wir fordern den Dialog zwischen den verschiedenen Parteien in diesem Konflikt und wir versuchen, den Opfern direkt zu helfen. Die Opfer von dieser Gewalt sind unsere Hauptsorge, wir versuchen an diese Menschen zu kommen und Hilfe zu leisten, wie wir können.

domradio.de: Sehen Sie, dass sich der Konflikt in absehbarer Zeit doch noch lösen lässt?

Ogbunwezeh: Ich bin ein Afrikaner und wir sind hoffnungsvolle Menschen. Ohne Hoffnung zu leben ist die Hölle. Aber Tatsache ist, dass kein Ende in diesem Konflikt in Sicht ist. Boko Haram ist ein Monster, das niemand kontrollieren kann. Die nigerianische Regierung muss mehr machen, um die Christen zu schützen und das Gewaltmonopol im Norden Nigerias wiedergewinnen. Das ist was wir brauchen. Jeder Staat, der das nicht leisten kann, ist kein Staat mehr.

Das Interview führte Mathias Peter


Quelle:
DR