Menschenrechtler und Journalisten ziehen negative Olympia-Bilanz

Die "besten Spiele aller Zeiten"?

Ob er die Olympischen Spiele in Peking bei der heutigen Abschlussfeier auch zu den "besten aller Zeiten" erklären wird, ist noch nicht klar. Ein positives Fazit hat IOC-Präsident Jacques Rogge auf jeden Fall kurz vor dem Abschluss bereits gezogen. Die Bilanz von Menschenrechtlern und Journalisten dagegen sieht ganz anders aus: Festnahmen, Zensur, Schikane.

 (DR)

Nach Einschätzung der Gesellschaft für bedrohte Völker hat sich die Menschenrechtslage durch die Spiele sogar verschlechtert. Reporter ohne Grenzen beklagte am Freitag in Paris, die Spiele seien geprägt gewesen "von Festnahmen, Verurteilungen, Zensur, Überwachung und Schikane von über 100 Journalisten, Bloggern und Dissidenten".

Heute gehen die Olympischen Spiele mit einer großen Abschlussfeier zu Ende. Die besten Olympischen Spiele aller Zeiten will Juan Antonio Samaranch gesehen haben. Der mittlerweile 88 Jahre alte Spanier hatte schließlich vor sieben Jahren die Vergabe des Weltsportfestes nach China im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) durchgesetzt, kurz bevor ihn Jacques Rogge an der Spitze des Ringezirkels ablöste.

Deutscher Tibet-Aktivist weiter in Haft
Derweil ist der deutsch-tibetische Aktivist Florian Norbu Gyanatshang weiter in Haft. Der 30-Jährige war am Donnerstag verhaftet worden, nachdem er mit zwei Mitstreitern nahe dem Nationalstadion in Peking eine tibetische Fahne entrollt und lautstark ein freies Tibet gefordert hatte. "Ihm wird Störung der öffentlichen Sicherheit vorgeworfen", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes dem epd. Seine Ausweisung sei geplant. Am Freitag erhielt Gyanatshang, der eine deutsche Mutter und einen tibetischen Vater hat, Besuch von einem Vertreter der deutschen Botschaft. Wann er aus China abgeschoben wird, war zunächst unklar.

Der Vorstandsvorsitzende der Tibet-Initiative Deutschland, Wolfgang Grader, begrüßte den Einsatz des Studenten. Solche Aktionen könnten die Welt wachrütteln, sagte er dem epd. Mit der Festname hätten die chinesischen Behörden aber absolut überreagiert. "Man sieht, wie dünnhäutig das politische Klima in Peking ist", sagte Grader.

Keines der Versprechen, die Peking vor den Wettkämpfen in Blick auf die Menschenrechte gemacht habe, sei erfüllt worden, sagte der Asienexperte der Gesellschaft für bedrohte Völker, Ulrich Delius, in Göttingen. Zudem habe China während der Spiele keine öffentlichen Proteste zugelassen. Mit der Einrichtung sogenannter "Protestzonen" sei die Öffentlichkeit gezielt getäuscht worden. Die meisten der rund 80 Antragsteller, hätten wegen massiver Einschüchterung von ihrem Recht zu friedlichem Protest abgesehen, sagte Delius.

"An diese Unterdrückung wird man sich erinnern"
Besorgniserregend sei vor allem die Situation in Xinjiang, der Heimat der rund neun Millionen muslimischen Uiguren. Dort müsse nach den Spielen mit Massenverhaftungen und neuen Hinrichtungen gerechnet werden. Nach Anschlägen in den Städten Kashgar und Kuqa seien Hunderte Häuser von Sicherheitskräften durchsucht und zahlreiche Uiguren verhaftet worden. Im benachbarten Tibet geht nach Aussagen der Tibet-Initiative die Unterdrückung unvermindert weiter.

Nach Darstellung der Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen konnten die Medien zwar frei von den Wettkämpfen berichten. Doch bei Demonstrationen und Recherchen zu heiklen Themen sei es wiederholt zu Behinderungen durch Sicherheitskräfte gekommen. "An diese Unterdrückung wird man sich erinnern, wenn man an die Olympischen Spiele in Peking denkt", sagte Generalsekretär Robert Ménard. Mindestens 22 ausländische Journalisten seien festgenommen worden, Opfer von Übergriffen geworden oder in ihrer Arbeit behindert worden. Für dieses Versagen müsse auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) Verantwortung übernehmen.

Nach Einschätzung des IOC-Mitgliedes Walther Tröger haben die Spiele durchaus eine langfristige positive Wirkung in China. Die Öffnung des Landes in den vergangenen 30 Jahren sei durch die Olympischen Spiele beschleunigt worden. "Ich denke, da bleibt eine ganze Menge", sagte Tröger im Deutschlandfunk. Es habe Gespräche gegeben, in denen eine Annäherung stattgefunden habe. Tröger räumte aber auch ein, dass das IOC die Tibet- und Menschenrechtsfrage "vielleicht zu wenig offen behandelt" habe.